Einem edlen Rosengewächs mit goldgelben Blüten begegnet man entlang von Feldwegen oder auf mageren Wiesen: dem Odermennig (Agrimonia eupatoria). Wiederum haben wir es mit einer Blütenpflanze zu tun, die durch ihre fackelähnliche Gestalt imponiert. Wenn das »Königskraut« im Mittsommer blüht, dann ist es, als ob ein Meer von Kerzen aufflammt.
In der Volksmedizin stand das Rosengewächs einst in hohem Ansehen. Es fehlte in keiner Hausteemischung. Manche unterziehen es immer noch einer Art Fermentierung, indem sie das in Büscheln zum Trocknen aufgehängte Kraut immer wieder mit etwas Wasser besprühen. Das fermentierte Kraut ergibt einen heilsamen und wohlschmeckenden Grüntee-Ersatz, der auch »Kaisertee« heißt. Außerdem kann man es in die Pfeife stopfen oder eine Kräuterzigarette daraus drehen.
In manchen Kräuterbüchern wird der Odermennig als »griechisches Leberkraut « bezeichnet (siehe Wichtl: Teedrogen). Es war wegen seiner großen Heilkräfte der griechischen Göttin Athene geweiht. Im Kräuterbuch des Jakobus Tabernaemontanus aus dem 17. Jahrhundert liest man: »Es ist der Leber nütz und gut, die Verstopfung derselben zu eröffnen.« Die Anwendung als Leberheilmittel beruht wiederum auf der Signaturenlehre: Gelbe Blüten zeigen, dass der Odermennig die Gelbsucht heilt, und die Klettfrüchte sind ein Hinweis auf die blutreinigende Wirkung. Sie trugen dem Odermennig den Beinamen »Leberklette« ein.
Im Gegensatz zu anderen, meist bitteren Leberheilpflanzen wie Artischocke oder Wermut schmeckt der Odermennig jedoch sehr mild. Seine Hauptanwendungsgebiete sind Leberleiden aller Art, insbesondere aber Gallensteine und Leberdepression. Ebenso wie die Klettfrüchte an den Kleidern haften bleiben, neigen Menschen, die Agrimonia als Heilmittel benötigen, dazu, mit ihren Gedanken und Gefühlen anzuhaften. Sofern man also zu den galligen Menschen gehört, die sich leicht aufregen und nachts immer zur Leberzeit erwachen (1 Uhr bis 3 Uhr), sollte man eine langfristige Leberkur mit der Leberklette in Erwägung ziehen, das Kraut ist z. B. in dem bewährten Leberfunktionsmittel Metamarianum B12 N (von Meta Fackler enthalten).
Doch die »Leberklette« bewährt sich ebenso bei Reizdarm. Wer seinen Darm jeden Tag spürt, eine Neigung zu krampfartigen Bauchbeschwerden und Durchfällen hat, sollte den Odermennig als Helferpflanze wählen. Vor allem langfristige Teekuren sind in Kombination mit heilenden Harzen hilfreich.
Nicht zuletzt heißt das Gewächs im Volksmund auch »Sängerkraut«. Allein deswegen müsste es eigentlich auch »Kraut des Apollon« heißen, denn der Sonnengott mit der Leier liebt natürlich auch den Gesang. Die Abkochung der blühenden Pflanze wurde früher zusammen mit Honig als regenerierendes und Stimmband straffendes Gurgelmittel verwendet. Sänger und Redner, deren Stimmbänder von Überanstrengung angegriffen und chronisch entzündet sind, schätzen das Sängerkraut heute noch (z. B. Agrimonia eupatoria Urtinktur von Spagyra; 1:1 mit Wasser oder Tee verdünnt zum Gurgeln). Die enthaltenen Gerbstoffe (bis zu 10 %) straffen die Stimmbänder und lindern chronische Entzündungen derselben.
Rezept: Reizdarmtee
Wer unter Nahrungsunverträglichkeiten leidet, seinen Darm täglich spürt, zu krampfartigen Bauchbeschwerden, Durchfällen oder weichem, klebrigen Stuhl neigt, sollte nachfolgende Teemischung lange fort gebrauchen.
• Ehrenpreis, echter 40 g
• Majoran 20 g
• Odermennigkraut 50 g
• Ringelblumenblüten 20 g
• Schafgarbe mit Blüten 30 g
• Walnussblätter 20 g
• Wegwartenwurzel 20 g
Mischen, zwei Teelöffel mit 200 ml kochendem Wasser überbrühen, etwa 8 bis 10 Minuten ziehen lassen, abseihen und ungesüßt trinken, kurmäßig 6 bis 8 Wochen lang 3 bis 4 Tassen täglich, danach bei Bedarf 1 bis 2 Tassen täglich.
Ergänzung: Bei stärkeren Beschwerden empfiehlt sich zusätzlich eine Kur mit Weihrauch oder Myrrhe (z. B. Myrrhinil-Intest von Repha).
Quelle und Buchtipp