Zahlreiche Pflanzen folgen dem Menschen seit Urzeiten auf Schritt und Tritt. Sie klettern an Zäunen empor, besiedeln kleinste Mauerritzen, gedeihen sogar an starkbefahrenen Straßen oder entlang von Bahngleisen. Zu den ständigen Begleitern der Zivilisation gehören altbewährte Vielheiler wie Brennessel, Löwenzahn, Schöllkraut oder Wegerich. Die unter dem Begriff “Ruderalflora” zusammengefassten Gewächse erweisen sich im naturfeindlichen urbanen Umfeld als wahre Überlebenskünstler, und eben darin zeigen sich auch ihre unglaublichen Heilkräfte. In diesem Beitrag sollen daher die Signaturen dieser menschenfreundlichen Gewächse ein wenig beleuchtet werden, auch um dabei vielleicht auf “neue” Indikationen für diese altbekannten Heilpflanzen zu stoßen.
Bilsenkraut wächst in einer Türritze auf der Insel Naxos
Die Signaturenlehre wird oft als Arzneilehre bezeichnet, bei der man vom äußeren Erscheinungsbild einer Pflanze, beispielsweise von Farbe und Form, auf das Innere, also auf Wesen und Heilwirkung, schließen kann. Doch die Signaturenlehre des Paracelsus ist in Wahrheit wesentlich komplexer, und der Begriff “Signatur” versteht sich als “Zeichen” im weitesten Sinn. Neben Farben und Formen von Blüten, Blättern, Stängeln, Wurzeln oder Früchten kommt vielen weiteren Eigenarten und botanischen Merkmalen eine Bedeutung zu. Geht man davon aus, dass ausnahmslos nichts ohne Bedeutung ist, dann haben ferner der Geruch, der Geschmack, die Konsistenz, die Art der Fortpflanzung, die Wachstumsperiode, die Lebensdauer, das Lichtverhalten, die Gesellschaft, die Bodenbeschaffenheit und nicht zuletzt auch der Standort als solcher Aussagekraft. Darüber hinaus passt sich die Vegetation den veränderten Umweltbedingungen an, sodass im Laufe der Zeit auch “neue” Signaturen hinzutreten.
Was die Ruderalpflanzen angeht, so sind auch diese auf vielfältige Weise gezeichnet, und ihre Signaturen erlauben Rückschlüsse auf die besonderen Kräfte, die sie in sich bergen. Es ist bereits ein erstes “Zeichen”, dass sie dem Menschen seit Urzeiten bis zur Haustür folgen. Der Paracelsist Emil Schlegel fragte sich deswegen: “Ob nun diese Gewächse sich in besonderem Maße der Volksaufmerksamkeit und der Heilkunde darbieten wollen?” Schlegel bezog sich auf die alte Regel der Heilkunst, die lautet: “Wo das Übel, da ist das Heilmittel”. Dieser Gedanke findet sich ebenso bei Paracelsus, der bemerkte: “Wo Krankheit, da Arznei, wo Arznei, da Krankheit.” (I/378). In der Tat waren jene Pflanzen, die bevorzugt in menschlicher Nähe gedeihen, auch die ersten Heilpflanzen der frühen Siedler. Die Germanen sahen in den nahrhaften und heilsamen “Zaunkräutern” noch die Verkörperung wohlwollender Hausgeister, und viele dieser menschenfreundlichen Gewächse blicken nun schon auf eine jahrtausendealte Heiltradition zurück. Doch was hat es zu bedeuten, wenn wir bestimmten Pflanzen bis heute an den unwirtlichsten Plätzen mitten in Großstädten auf Schritt und Tritt begegnen? Paracelsus ging davon aus, dass Krankheit und Arznei demselben Grund entspringen oder denselben Umwelteinflüssen unterliegen und konstatierte: “Jedem Land wächst seine eigene Krankheit, seine eigene Arznei und sein eigener Arzt.” (III/492) Im übertragenen Sinn bedeutet dies, dass gegen die Krankheiten des Städters Pflanzen wachsen, die in seiner unmittelbaren Nähe zu finden sind.
Wegwarte wächst bevorzugt an Wegen und Straßen
Ruderalpflanzen contra Zivilisationskrankheiten
Ruderalpflanzen zeigen nicht nur gegen Trittschäden, sondern auch gegen Umweltgifte beachtliche Resistenz. Solche Pflanzen vertragen Abgase, Reifenabrieb, metallverseuchte Böden und sauren Regen erstaunlich gut. Genau in dieser Anpassungsfähigkeit ist auch ihre gemeinsame Signatur verborgen. Damit beweisen sie, dass sie Widerstandskräfte gegen Umweltproblemstoffe in sich aufgebaut haben, die möglicherweise auch dem Menschen nützlich sind. Die Pflanzen am Wegesrand sind daher als potentielle Heilpflanzen gegen sog. “Zivilisationskrankheiten” anzusehen; bspw. Allergien, Asthma, Atemwegsreizung durch Benzol oder Ozon, Fettsucht, Infektanfälligkeit und Virusleiden, Hautleiden wie Neurodermitis und nicht zuletzt auch Schwermetallbelastung.
Im Grunde genommen sprechen diese Gewächse eine eindeutige Sprache. Betrachtet man einmal die Wegwarte (Cichorium intybus) – sie blüht sogar neben vielbefahrenen Straßen und selbst auf den Mittelstreifen der Autobahnen. Versetzen wir uns einmal in eine Wegwarte hinein, die an einem derart lebensfeindlichen Ort gedeiht. Dort stinkt es nach Abgasen, und der Boden ist vergiftet von Schwermetallen und wer weiß wie viel weiteren Problemstoffen. Müssten wir an ihrem Standort ausharren, dann hätten wir bald hochgradige Vergiftungssymptome. Die Pflanze hält der Belastung jedoch stand und blüht scheinbar unverzagt weiter, während die Zivilisation um sie herum tobt und stinkt. Sie muss also etwas in sich haben, das die unheilvollen Umwelteinflüsse neutralisiert. In jedem Fall besitzt sie eine Anpassungsfähigkeit, die dem an der Umwelt erkrankten Menschen fehlt. Ein solches Gewächs muss Heilkräfte gegen Umwelterkrankungen in sich bergen. Dennoch erscheint es einfältig zu glauben, die Wegwarte sei nur wegen uns hier, um uns zu heilen. Wahrscheinlicher ist, dass die gesamte Ruderalflora die Aufgabe hat, die Erde zu heilen, und ihre Nützlichkeit für den Menschen ist möglicherweise nur ein glücklicher Nebeneffekt.
Veranstaltungen zur Phytotherapie
Zurück zur Wegwarte, der vielleicht “schönsten Hässlichen” unter den Wegrandkräutern. Wenn ihre bezaubernden Blüten gegen Nachmittag verschrumpeln, bleibt ein gräuliches Stängelgerippe zurück, worin sich ihr saturnales Wesen offenbart. Ihr meist sonniger und trockener Standort deutet dagegen auf Jupiter hin, der im Menschen über die Leber regiert. Wobei Weg- oder Straßenränder sowie Bahngleise ebenso den alles verbindenden Merkur anzeigen. Der hohle Stängel zeichnet den Korbblütler als Antidyskratikum aus, und der bittere Geschmack zeigt die verdauungsfördernde und reinigende Wirkung an. Alles in allem haben wir es mit einer bedeutenden Heilpflanze zu tun, die zur Anregung der großen Entgiftungsorgane (Bauchspeicheldrüse, Leber-Galle und Nieren) in der Volksmedizin wie auch in der modernen Phytotherapie Anwendung findet. Einst gehörte sie auch zu den Entgiftungspflanzen der Bergarbeiter. Die Wegwarte, so heißt es bei Tabernaemontanus, “thut Widerstand aller Vergiftung”, und eben diese Heileigenschaft lässt sich bereits aus dem Standort ableiten. Erfahrungsgemäß leiten Teekuren, in denen die Wegwartenwurzel mit weiteren Ruderalpflanzen kombiniert wird, Schwermetalle wie Blei oder Quecksilber aus, und nicht selten hört man von den Patienten, dass sie durch solche Kuren über spürbar mehr Lebensenergie verfügen. Weitere Pflanzen, die sich ebenfalls an Straßenrändern finden, sind zum Beispiel Beifuß (Artemisia vulgaris), Goldruten (Solidago canadensis und Solidago gigantea) oder Kletten (Arctium lappa). In dieser Gemeinschaft tut sich zusammen, was auch auf dem Rezeptblock miteinander harmoniert.
Allein mit diesen vier Pflanzen hätten wir bereits ein hochkarätiges Entgiftungsgespann: Beifuß öffnet alle Entgiftungswege des Körpers. In Form von Teekuren regt das Kraut den Kreislauf, den Stoffwechsel und die Hormone an (Hypophyse – Keimdrüsen), ferner treibt er den Harn und den Schweiß, fördert die Verdauung und die Menstruationsblutung. Die Goldrute zählt zu den Kardinalheilpflanzen der Nieren und der ableitenden Harnwege. Ohne die Nieren zu reizen, steigert sie deren Energie und Entgiftungsleistung auf sanfte Weise. Daher empfiehlt sich, während einer Ausleitungskur Leberfunktionsmittel wie “Hepatik” von Soluna (= Solunat 8) in Goldrutentee einzunehmen, weil die von der Leber verstoffwechselten “Gifte” dann leichter ausgeschieden werden. Die Klette, eine typische Schuttpflanze, siedelt sich gerne auf Bau- und Gartenschutt oder auf Schrottplätzen an. In der Volksmedizin wird das Klettenwurzelöl zur Stärkung des Haarbodens geschätzt, dabei gehört sie wie Beifuß, Goldrute und Wegwarte zu den stark wirkenden Ausleitungspflanzen: “Die Heilkraft dieser Pflanze ist einzigartig. Bei innerlichem Gebrauch entfernt sie überschüssige Schwermetalle wie Quecksilber, Rückstände von Arzneimitteln wie z.B. Antibiotika, Harnsäure und Toxine.” (Amann, 1995)
Klette wächst an einem mit Unkrautvernichtern behandeltem Acker – sie dient u.a. zur Ausleitung von Umweltgiften
Von der Natur diktiert:
Teemischung zur Ausleitung von SchwermetallenDie Heilpflanzen dieser Rezeptur vereint der exponierte Standort an Bahngleisen, Straßen oder Wegrändern, wo sie Autoabgasen sowie Reifen oder Schienenabrieb und meist auch Petiziden ausgesetzt sind. Eben weil sie der Umweltbelastung in den Städten trotzen, bergen sie “giftwidrige” Heilkräfte in sich und ergänzen schulmedizinische und/oder naturheilkundliche Entgiftungskuren:
- Beifußkraut (Herba Artemisiae cc.)
- Goldrutenkraut (Herba Solidaginis cc.)
- Gundelrebe (Herba Hederae terr. cc.)
- Klettenwurzel (Radix Bardanae cc.)
- Löwenzahnwurzel (Radix Taraxaci cc.)
- Wegwartenwurzel (Radix Cichorii cc.)
Zu gleichen Teilen mischen; 2 TL mit 200 ml kochendem Wasser überbrühen, ca. 15 Min. ziehen lassen. Nach dem Entfernen von Amalgam-Plomben je nach Verträglichkeit bis zu zwölf Wochen lang täglich ein bis vier Tassen trinken.
Unkraut vergeht nicht
Unter den Kulturfolgern finden sich auch sogenannte “Bodenheiler”, die sich bevorzugt auf herabgewirtschafteten Böden ansiedeln. Im übertragenen Sinn braucht der Mensch, der durch Antibiotika, Pestizide und Schwermetalle aus Nahrung und Umwelt “herabgewirtschaftet” ist und nun guten Nährboden für ständige Krankheit abgibt, sich nur an entsprechenden Plätzen umzuschauen. Er wird seine Heilpflanzen neben Bahngleisen, an Straßenrändern, auf Brachwiesen oder Schuttplätzen finden. Denn die Kräuter, die dort gedeihen, regenerieren auch den “Boden” in uns. Nicht endgültig geklärt ist die Frage, ob diese Pflanzen Problemstoffe aus der Erde anreichern.6 Doch es versteht sich von selbst, dass man Heilpflanzen nicht von belasteten Böden sammelt, sondern aus dem biologischen Anbau bezieht, wenn sie als Arznei dienen sollen.
Schauen wir uns noch ein wenig am Standort Bahngleis um. Damit die Gleise nicht überwuchert werden, kommen hier Pestizide zum Einsatz, und Holzschutzmittel sowie der Schienenabrieb belasten ebenfalls den Boden. Dennoch wachsen entlang der Gleise neben den bereits genannten viele weitere Heilpflanzen, zum Beispiel: Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense), Brennesseln (Urtica dioica und Urtica urens), Ehrenpreis-Arten (Veronica ssp.), Johanniskraut (Hypericum perforatum), Knopfkraut (Galinsoga parviflora), Natternkopf (Echium vulgare), Steinklee (Melilotus officinale), Storchschnabel (Geranium robertianum), Vogelknöterich (Polygonum aviculare) …
Schachtelhalm dürfte an Genügsamkeit kaum zu schlagen sein – sogar Bahngleise kann er besiedeln
Nicht alle können hier besprochen werden, aber der Ackerschachtelhalm, das Zinnkraut der Volksmedizin, ist eine wichtige Heilpflanze für Mensch und Natur. Lässt der Bauer ein ausgelaugtes Feld brachliegen, dann dauert es nicht lange und dort siedelt sich Schachtelhalm an und regeneriert im Lauf der Zeit den Boden. Ähnliches leistet das urzeitliche Gewächs als pflanzliches Düngemittel wie auch als Arznei in uns. Die pflanzliche Kieselsäure führt zu Leukozytose und spendet darüber hinaus auch Strukturkraft. Wertvoll sind Schachtelhalm-Kuren (z. B. Teekuren und/oder “Equisetum arvense Silicea cultum Amp. oder Dil.” von Weleda) bei chronisch-entzündlichen Prozessen vorgeschädigter Gewebe; z. B. chron.rezidiv. Zystitis nach Antibiotika oder bei Neigung zu Ovarialzysten nach Hormongaben – wobei sich der Bezug zum mondregierten Uro-Genital im Saftreichtum des Zinnkrauts zeigt.
Bewundernswert zäh ist auch das Knopfkraut, das fast überall in den Städten zu finden ist und zu den wenigen Unkräutern gehört, die sich selbst aus stark gespritzten Maisfeldern nicht vertreiben lassen. Umweltgifte, die uns krank machen, stören dieses kleine Pflänzlein scheinbar überhaupt nicht, und eben das zeichnet sie als Heilpflanze aus. Es gibt nur wenige zeitgenössische Phytotherapeuten, die sie bspw. noch als Adjuvans bei Krebsleiden verordnen.
Zaunkräuter strotzen vor Lebenskraft. Hirtentäschelkraut bildet bis zu 60000 Samen pro Jahr und Pflanze
Überlebenskünstler aus dem Pflanzenreich
Zu den ständigen Begleitern der Zivilisation gehören ferner Brennesseln (Urtica dioica und Urtica urens) und Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris), die wie so viele Unkräuter in der zeitgenössischen Phytotherapie unterschätzt werden. Dabei steckt bereits in dem Sprichwort “Unkraut vergeht nicht” der erste Hinweis auf die zu erwartenden Heilkräfte. Beide zeigen sich gegenüber allen Bemühungen, sie auszurotten, widerstandsfähig. Sie verfügen über geradezu unglaubliche Regenerationskräfte, die auch aus der Art der Fortpflanzung resultieren.
Zum Beispiel bildet das Hirtentäschelkraut bis zu 60000 Samen pro Jahr und Pflanze! In der Vielsamigkeit erkannten die Alten noch die fruchtbarkeitssteigernde Eigenschaft, denn die Fruchtbarkeit der Pflanzenwelt und die des Menschen untersteht in der hermetischen Medizin dem gleichen Prinzip (Mond). Der Samenreichtum stellt auch den Bezug zum weiblichen Genital her, für das das Hirtentäschel ein bewährtes Hämostyptikum und Tonikum ist (z. B. in Form von “Menodoron Tropfen” von Weleda). Das Hirtentäschel regt aber seiner Fruchtbarkeits-Signatur wegen möglicherweise auch die Spermiogenese an.
Wenn Männer zu wenig Spermien bilden, könnte man ihnen auch Brennesselsamen “zufüttern” (ca. 2 EL täglich; z.B. pur, auf Brot oder im Salat). Die vitaminreichen Samen werden im Alpenraum von den älteren Menschen als Tonikum reichlich genossen, und in der Veterinärmedizin zählen sie seit langem zu den Geheimmitteln der Pferdehändler, um alten Schindmähren wieder zu glänzendem Fell und vollblütigem Gebaren zu verhelfen …
Von dieser ausgefallenen Indikation abgesehen, ist die Brenn-Nessel eine besonders kriegerische Arzneipflanze. Berührt man sie, dann schießt sie ihre Brennhaare wie Pfeile ab und injiziert uns so unter anderem Ameisensäure das nachfolgende Jucken und die Quaddelbildung kennt wohl jeder. Eine Pflanze, die sich derart gut gegen Mensch und Tier zu wehren weiß, muss einfach die Lebens- und Abwehrkraft stärken! Mit Freude habe ich erfahren, dass Brennesseln auch zu den Pflanzen der kolumbianischen Schamanen gehören: Wenn die Seele des Erkrankten während eines Heilrituals verlorenzugehen droht, dann wird dieser mit Nesseln abgerieben und so wieder geerdet – und das funktioniert, “weil die Brennessel wie das Leben ist” (Fabio Ramirez, Bogota, 1998). Vor allem Allergiker und Astheniker sollten sich also mit der Brennessel anfreunden; z.B. als Teekur oder Wildkräutersuppe oder in Form von Kuren mit “Urtica comp.” Amp. oder Glob. von Wala.
Brennnesseln verleihen Kraft und Ausdauer
Viele Ruderalpflanzen bilden auch Ausläufer, und wenn man sie hier entfernt, dann treiben sie eben dort wieder aus. Zu diesen “lästigen Unkräutern” gehören beispielsweise Gundelrebe (Glechoma hederacea), Klebkraut (Galium aparine) oder Quecke (Triticum repens). Letztere verdankt ihren meterlangen Ausläufern, die sie zum Ärgernis vieler Gärtner und Hausmeister machen, ihren Namen und ihre Unausrottbarkeit. “Der Lebensdrang dieses beharrlichen Grases hat in der Bezeichnung Quecke, von althochdeutsch quec = lebendig, beredten Niederschlag gefunden.” (Hartwig Gäbler 1977)
Wie so viele “Unkräuter” überträgt auch die Quecke ihre Vitalität auf den Menschen, der sie als Arznei gebraucht. In der Volksmedizin ist die Wurzel beliebter Bestandteil von Blutreinigungstees, bspw. bei Gicht, Blasengrieß oder Rheuma. Auch liegen in der Quecke “Heil” und “Unheil” nah beieinander: Für Allergiker ist die langwährende Queckenblüte eine echte Belastungsprobe, während sich die Wurzel zur Allergiebehandlung eignet (siehe Allergie-Rezept). Die Fähigkeit zur Bildung von Ausläufern birgt aber noch einen Hinweis in sich: Sucht man im Menschen nach einer Entsprechung, dann fallen uns vielleicht Adern, Lymphbahnen, Nerven oder Nabelschnur ein, also “lange Leitungen”. Insbesondere das Klebkraut gibt uns eine gute Vorstellung davon, wie in etwa unser Lymphsystem aussieht: Lange “Leitungen”, die Entsprechungen der Lymphgefäße, enden in den knötchenartigen Klettfrüchten, den pflanzlichen Gegenbildern zu den Lymphknoten. Zudem zeichnet sich das Klebkraut durch seine winzigen Widerhaken als entgiftende Heilpflanze aus; Dornen, Stacheln oder Klettfrüchte sind wichtige Signaturen von Ausleitungspflanzen. Diese Waffen der Pflanzen verkörpern das wehrhafte Prinzip des Mars, und die so gezeichneten Pflanzen steigern auch die Abwehrkräfte (z.B. Eleutherokokkus).
Frische Klebkrauttriebe schmecken bspw. in Wildkräutersalaten köstlich. Ansonsten wird eigentlich nur die aus der Frischpflanze bereitete Urtinktur verordnet. Galium aparine Urtinktur ist zum Beispiel in dem Komplexmittel “Itires spag.” von Pekana enthalten, das sich zur Lymphreinigung bei Mastopathie bewährt hat. Auch die Gundelrebe bildet lange Ausläufer. Bei den Germanen zählte der Lippenblütler zu den “Gundkräutern”, was noch in dem Volksnamen “Herr des Eiters” mitschwingt. Bis heute ist das Kraut vielerorts Hauptbestandteil der Gründonnerstagssuppe, die in dem Ruf steht, den Menschen, der sie genießt, das ganze Jahr bei Gesundheit zu halten. Im Mittelalter zählte die Gundelrebe noch zu den Heilmitteln der Maler, die mit ihrer Hilfe Blei ausleiteten. Die Heidelberger Umweltmedizinerin Dr. Astrid Blank griff diesen Tipp aus der Volksmedizin auf und verabreichte einer Frau, die stark erhöhte Bleiwerte aufwies, Gundelrebentee als alleinige Arznei. Ergebnis: Die Bleiwerte waren nach wenigen Wochen wieder in der Norm. Angelehnt an überlieferte Entgiftungsrezepturen entwickelte Dr. Beyersdorff von Pekana das Komplexmittel “To-ex spag.”, in dem er gleich drei Zaunkräuter – Gundelrebe, Klebkraut und Zaunrübe – kombinierte. Die beste metallausleitende Wirkung entfaltet sich, wenn bspw. “To-ex spag. Tropfen” durch Schwefelverbindungen ergänzt (z.B. “Sulfur selenosum Trit. D6” von Weleda) und in der abnehmenden Mondphase in Kräutertee eingenommen werden (siehe Teerezept im Kasten).
Klebkraut wächst gerne zusammen mit Brennnessel
Allergie-Rezept (Apotheke)
- Apis mellifica Dil. D8 (Biene)
- Calcium carbonicum Dil. D6 (Kalziumcarbonat)
- Dulcamara Dil. D6 (Bittersüß)
- Glechoma hederacea Urtinktur (Gundelrebe)
- Histaminum dihydrochloricum Dil. D12 (Histamin)
- Juglans regia Dil. D2 (Walnuss)
- Plantago lanceolata Urtinktur (Spitzwegerich)
- Triticum repens Urtinktur (Quecke)
- Urtica dioica Urtinktur (Brennessel) aa 10,0
Über die Apotheke von Spagyra mischen lassen, 3- 5mal täglich 10 bis 20 Tropfen im Mund zergehen lassen oder z.B. in Brennesseltee einnehmen. Diese Rezeptur brachte bereits allergische Schübe mit Quincke-Ödem zum völligen Abklingen. Das Rezept liefert die Lindenapotheke Pfaffenhofen https://lindenapo-paf.de/
Die Heilkräfte der Mauerblümchen
Die Liste der Zaunkräuter ist lang, und natürlich können hier nicht alle aufgeführt werden. Doch auf eine Signatur müssen wir noch eingehen, um das Wesen der urbanen “Unkräuter” zu verstehen: Beeindruckend ist nämlich die Fähigkeit mancher Gewächse, sich in den kleinsten Mauerritzen anzusiedeln, und einige sind sogar in der Lage, auf blankem Stein zu wachsen. Zu diesen genügsamen Mauerblümchen gehören bspw. Brennnesseln (Urtica dioica und Urtica urens), Dachwurz (Sempervivum tectorum), Löwenzahn (Taraxacum officinale) und nicht zuletzt auch Schöllkraut (Chelidonium majus). Schaut man genau nach, dann entdeckt man nicht selten haarfeine Risse, die sich um die Wurzeln herum bilden – diese scheiden nämlich Säuren ab, lösen den Stein allmählich auf und sprengen auf diese Weise sogar Betonplatten! Diese Signatur deutete schon Paracelsus als Hinweis auf die steinbrechende Kraft dieser Pflanzen: “Du wirst dir merken, dass ein steinbrechendes Mittel einen Stein leicht bricht.” (I/930)
Wir haben es also nicht nur mit besonders “giftresistenten” Heilpflanzen zu tun, sondern auch mit Heilpflanzen für tartarische Leiden wie Blasengrieß oder Gallensteine: Die Brennnessel fördert unter anderem die Ausscheidung von Harnsäure und treibt auch Blasengrieß aus. Dabei erinnere ich mich an eine Frau, die nach einen Tee für ihren Mann fragte,
bei dem reichlich Blasengrieß festgestellt worden war. Weil ich ihn nicht persönlich kannte, gab ich den einfachen Tipp, er solle im Wechsel täglich etwa einen halben Liter Brennesselblättertee oder “Vollmers Grünen Hafertee” (enthält u.a. Brennesselblätter) mit frisch gepresstem Zitronensaft und Honig trinken. Ergebnis dieser wohlschmeckenden Teekur: Nach einigen Wochen kamen die beiden mit einem Säckchen an, in dem sie eine Handvoll Blasensteinchen gesammelt hatten, die während der Teekur abgegangen waren.
Schöllkraut wächst aus einer Mauerritze – eine Signatur für die “steinbrechende Wirkung”
Das Schöllkraut ist geradezu ein Paradebeispiel für die Signaturen der Leberheilpflanze. Wie die Leber in drei Lappen unterteilt ist, so sind auch Schöllkrautblätter dreifach gelappt und haben somit anatomische Verwandtschaft zum Zielorgan. Ferner deuten die vierzähligen gelben Blüten Jupiter an, der im Menschen über die Leber regiert, und der orangegelbe Milchsaft zeigt schließlich Sympathie zur Gelbsucht. Daher bemerkte Paracelsus: “Warum ist Chelidonia eine Arznei bei Gelbsucht. Wegen seiner Anatomie” (II/279) – Paracelsus zählte die Farbe zur Anatomie. Als Heilpflanze für Leber und Galle ist Chelidonium inzwischen unentbehrlich, und viele bewährte Leberfunktionsmittel enthalten das Kraut (z.B. “Chelidonium comp., Kapseln” von Wala, “Hepatik” (= Solunat 8) von Soluna oder “Metaheptachol N” von meta Fackler).
Wenn heute in den Lexika steht, die Signaturenlehre sei eine “mystische Arzneilehre” oder sie “würde wissenschaftlichen Ansprüchen nicht gerecht”, dann sollte man bedenken, dass die
ursprünglich wegen ihrer Signaturen gefundenen Arzneipflanzen meist heute noch für dieselben Indikationen gebraucht werden! Um bei unserem Beispiel der Leberheilpflanzen zu bleiben: Fast alle Leberheilpflanzen weisen gelbe Blüten oder gelbe Pflanzensäfte auf oder haben das gelbe Prinzip zumindest in Form von Flavonoiden in ihrer Chemie verborgen (weiteres siehe “Paracelsusmedizin”, AT Verlag, CH-Aarau 2001).
Zum Abschluss noch ein paar Gedanken zum Löwenzahn, dem ich zuletzt im Spätherbst in Blüte begegnet bin: Er hatte sich in über zwei Metern Höhe in einer Ritze zwischen Grabstein und Friedhofsmauer – ganz ohne Erde angesiedelt! Natürlich hat auch dieses Mauerblümchen steinbrechende Kräfte in sich, schließlich heißt er wegen seiner harntreibenden Wirkung im Volksmund “Bettseucher”, und die gelben Blüten deuten die galletreibende Wirkung an. Doch er zählt auch zu den Überdüngungsanzeigern und reinigt daher durch und durch. Ein chinesischer Heilkundiger, der einmal im Mai in Deutschland zu Besuch war, staunte über die gelben Wiesen voller Löwenzahn: “Das muss aber eine große Heilpflanze sein” – vermutete er sogleich. Überträgt man die Überdüngungs-Signatur auf den Menschen, dann wird klar: Böse Folgen falscher Ernährung (z.B. Obstipation) sowie pestizidbedingte Erkrankungen (z.B.
Pankreasinsuffizienz) sind die aktuellen Anwendungsgebiete des Löwenzahn (z.B. “Taraxacum comp.” von Ceres oder als Metaharonga Tropfen von meta Fackler).
Die Liste der heilkräftigen Zaunkräuter ließe sich natürlich noch endlos fortführen. Aber zusammenfassend kann man bereits feststellen, dass Ruderalpflanzen die Folgeschäden der Zivilisation heilen und daher vielleicht die wichtigsten heimischen Heilpflanzen des 21. Jahrhunderts werden. Nimmt man alle zusammen und ergänzt man die Liste noch um
Efeu, Mistel und unzählige ungenannte “Unkräuter”, dann haben wir ein beachtliches Arzneipflanzenarsenal direkt vor unseren Haustüren, die zur Entgiftung, zur Vitalitätssteigerung, zur Anregung des Stoffwechsels und nicht zuletzt auch zur Immunmodulation dienen.
Löwenzahn – der Meister unter den Überlebenskünstlern
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