Sieben Wege gibt es, auf welchen wir kunstreich werden” (Paracelsus: II/309).
In seinem Buch “Liber de Cadicis – das ist über die hinfallende Krankheit” beschreibt Paracelsus sieben Wege, mit deren Hilfe man sich Wissen aneignen kann. Drei dieser Wege befassen sich allein mit der Signaturenlehre: Chiromantie, Physionomie und Anatomie oder die Kenntnisse über die Form. Ohne Erfahrung jedoch ist alles auf Sand gebaut. Zudem braucht es einen guten Lehrer. Wer sich mit Magie einlässt, der kann es schnell weit bringen, jedoch kann es auch ein Irrweg sein, während die Offenbarung in seinen Augen die höchste Form ist, sich Wissen anzueignen – hier führt er Hildegard von Bingen als Beispiel an.
Chiromantie
Nicht ohne Grund hat dieser Weg denselben Namen wie die Hand- und Nageldiagnostik, denn aus den Linien der Hände und Nagelzeichen kann man auf das Wesen des Menschen und seine Gebrechen schließen. Aber nicht nur die Hand, sondern der ganze Körper kann chriromantische Zeichen aufweisen.
Doch auch Kräuter zeigen chiromantische Zeichen. Er schrieb über die Verwandtschaft von Heilmittel und Krankheit: “Nun ist das in der Weise zu suchen, dass aus der Chiromantia die Gleichheit der Form in den natürlichen Dingen angezeigt wird, dass nichts in den Gewächsen ist, was nicht auch der Mensch in sich hat. Wo die Übereinstimmung nicht ist und gefunden wird, sind alle Composita umsonst und vergebens” (Paracelsus: II/231f).
So deuten die milchig-weißen Linien der Mariendistelblätter auf die Verwendung bei Lympherkrankungen hin (enthalten in “Lymphdiaral Basistropfen” Tropfen von Pascoe), während der rote Stängel des Mädesüß (Filipendula ulmaria) eine Signatur für ein Heilmittel bei Entzündungen ist. Der Blütenaufbau des Augentrost (Euphrasia officinalis) erinnert an ein Auge, die Rinde der Birke (Betula pendula) dagegen an einen trockenen Hautausschlag wie bei Psoriasis oder Neurodermitis. Wie soll es anders sein, ist dies nicht nur eine Assoziation, sondern tatsächlich ist der Augentrost ein bewährtes Mittel bei Augenentzündungen und die Birke ein wunderbares Hautmittel.
Zur Chiromantie gehören aber auch die Vergesellschaftung von Pflanzen, ihr Standort, ihre Vorlieben für Licht oder Dunkelheit, ihr Geruch, ihre Farbe oder der Geschmack. Es ist also keineswegs ein simpler Weg, wie Kritiker oft behaupten. Vielmehr erfordert er ein ganz genaues Beobachten, ein vertieftes Verständnis der Phänomene, bei deren bloßen Beschreibung man eben nicht stehen bleibt, sondern durch Assoziationen den Weg zum Menschen und seinen Krankheiten findet.
Physiognomie
Sie beschreibt die Kunst, “welche das Wesen anzeigt, welches inwendig verborgen liegt” (Paracelsus II/310). Man könnte dies als “intuitiven” Weg der Naturerkenntnis bezeichnen. Zunächst betrachtet man die äußeren Merkmale ganz genau und sucht nach Gemeinsamkeiten zu anderen Pflanzen und natürlich auch nach Unterschieden. Ein Botaniker macht es eigentlich nicht viel anders, nur sucht er nicht die Brücke zur Therapie.
Betrachtet man nun z.B. den Gelben Enzian mit dem oft direkt daneben wachsenden Blauen Eisenhut, dann wird man feststellen, dass beide sehr konträr auf den Betrachter wirken. Während sich die gelben Blüten des Enzians ganz dem Licht zuwenden, die Blätter ein lichtes Grün ausstrahlen und sich wunderbar paarweise geordnet zeigen, verhält sich der Eisenhut ganz anders. Seine schwarzblauen Blüten schirmen sich zum Licht ab, die gefiederten schwertförmigen Blätter glänzen in einem Schwarzgrün – alles zeigt dem Instinkt, dass es sich um eine tödliche Giftpflanze handeln muss. Und doch gehören beide Pflanzen zu demselben Lebensraum, sie haben also eine gemeinsame Chiromantie, auch wenn die Physiognomie völlig konträr erscheint. Als Signaturkundiger muss man daher überlegen, ob es nicht eine geheime Beziehung zwischen den Mitteln gibt. Und tatsächlich haben sich beide Mittel in der Behandlung fieberhafter Infekte bewährt, wobei natürlich der Giftgeist des Eisenhuts durch die Kunst der Alchemie gezügelt werden muss, was beim Enzian nicht notwendig ist, da er sich in allen Signaturen als Freund des Menschen zeigt. Beide Mittel sind beispielsweise Bestandteil des Grippemittels “Metavirulent N” von metaFackler.
Die Physiognomie ist für Paracelsus ebenfalls eine Folge der Sternenwirkung die sich auf alle Naturreiche bezieht, also auch auf den Menschen, seinen Organen und Krankheiten; er schrieb: “Der Himmel gibt die Physionomie. Nun wisse auch, dass er es innerlich wie äußerlich gibt. Kannst du es äußerlich sehen, dann sieh auch innerlich. Siehst du die Komplexion des Mars äußerlich im Antlitz des Martialischen, dann sieh auch den Menschen innerlich in seiner Komplexion” (Paracelsus: II/273).
Heilmittel werden nach dieser Vorstellung durch die Korrespondenzen von Planet, Organ, Pathologie und Signatur der Arzneien erkannt; um beim Beispiel des Mars zu bleiben: Der kriegerische Planet Mars hat einen hitzigen Charakter; sein korrespondierendes Sternzeichen ist der Widder, der im Körperaufbau dem Kopf entspricht. Ist der Mars im Menschen übermäßig ausgeprägt, kommt es gehäuft zu entzündlichen Leiden, Migräne oder cholerischen Gefühlsausbrüchen. Die Heilmittel für eine pathologische Marsenergie müssen nun ebenfalls etwas marsianisch sein. Entsprechende Signaturen wären Stacheln, Dornen, Brennen bei Berührung, scharfer Geschmack oder Rottöne. Mögliche Heilmittel wären beispielsweise Benediktenkraut (Cnicus benedictus) oder Schöllkraut, also eine Ableitung über das Marsorgan Galle. Da sich die Qualitäten von Heilmittel und Krankheit sehr entsprechen, sind nur geringe Mengen erforderlich, Paracelsus gab dann auch gerne alchimistisch verfeinerte Präparate – heute käme noch die Homöopathie infrage.
Bei einer geringen Marsqualität kommt es zu Erschöpfung und Anämie – hier hat sich die Kombination von Brennnessel (Urtica dioica) und Schlehe (Prunus spinosa) mit Hämatit (Bluteisenstein) bewährt, z.B. das Handelspräparate “Prunuseisen” von Wala. Da ein Mangelzustand vorliegt, kann die Menge, im Sinne einer Substitution, durchaus höher sein.
Form
“Indem eine Form die andere anzeigt, so dass Gleiches zu Gleichem gekommen ist” (Paracelsus II/310) hat man eine möglichen Weg zu einem Heilmittel gefunden. Heilmittel und Krankheit müssen also eine ähnliche Formstruktur aufweisen – hierzu Beispiele.
Krebssteine wurden bereits weit vor Paracelsus zur Behandlung von Nieren- und Blasensteinen verwendet, auch bei ihm gibt es viele entsprechende Rezepte. Doch was hat der Krebsstein mit dem Blasenstein gemeinsam? Wenn der Krebs seinen Panzer wechselt, was mehrmals in seinem Leben geschieht, wendet er folgenden Trick an – er löst den Kalk aus seinem Panzer aus und formt daraus “Krebsaugen”, kleine, kalkweise, linsenförmige Gebilde, die er in einem Teil seines Magens zwischenlagert, der im Kopfbereich liegt. Jetzt ist der Panzer weich genug, und er kann herausschlüpfen. Danach löst er das Kalkkonglomerat auf und härtet seinen Panzer wieder aus. “Solve et coagula” – löse und schlage nieder, ist eine der wichtigsten Regeln der Alchemie. Der Krebs beherrscht diese Kunst vollkommen und dient nun als alchemistisch modifiziertes Heilmittel dem kranken Organismus als Vorbild zur Auflösung von Steinen im Flüssigkeitsorganismus. Mit dem Präparat “Silex lapis cancri solutus” liefert die Firme Weleda ein entsprechendes Präparat.
Ein weiteres Beispiel ist der Weinstein, der bei der Lagerung in Holzfässern aus dem Wein ausfällt und sich als kristalline Kruste am Rand absetzt. Auch hier handelt es sich um eine Koagulation von einem Feststoff aus dem Flüssigen. Dies hat Alchemisten schon immer fasziniert. Entsprechend bearbeitet dient der Weinstein zur Auflösung und Ausleitung von Stoffwechselschlacken und der Anregung der Blutbildung. Auch hier liefert Weleda ein besonderes Präparat, dass aus einer Kombination von Antimon, Safran und Koralle besteht, die man mit Weinbrand, Weinessig und Weinstein, also dem sulfurischen, merkuriellen und salhaften Anteil des Weins, in Beziehung gebracht hat: “Kalium aceticum comp.” – um das Schwere in die Leichtigkeit zu heben.
Veranstaltungstipps
Erfahrung
Zur Beherrschung der Signaturenlehre braucht es vor allem Erfahrung. So gehört auch diese zu den sieben Wegen des Paracelsus. Sie “ist die Kenntnis von dem, was mit Wissen erprobt wird (I/516). (…) Es soll nicht verstanden werden, dass ein Experiment Erfahrung ist, sondern dass Erfahrung ist, was mit Wissen gefunden, gelernt und gegeben wird” (Paracelsus: I/517).
Bloßes Experimentieren meint er also nicht, sondern ein lebenslanges schöpferisches Streben nach Erkenntnis. Doch auch Offenheit, Unvoreingenommenheit, das freie Denken, jenseits des Dogmatismus ist dabei zu beachten. Der Weltengeist hat schließlich eine solche Dimension, dass man ihn niemals in seiner ganzen Größe erkennen, geschweige denn endgültig beschreiben kann.
Ein guter Lehrer
Ein weiterer Weg zum Wissen ist die Überlieferung von Mensch zu Mensch, damit natürlich auch gute Bücher. Dies erfordert allerdings Respekt vor dem Wissen und der Erfahrung anderer. Ob man eine Hochschule besucht hat, ein einfacher Bauer ist, zum fahrenden Volk gehört, eine andere Hautfarbe oder einen anderen Glauben hat, ist letztendlich völlig egal. Jeder ist ein potentieller Lehrer, sofern er sein Wissen erprobt hat und in der Kunst erfahren ist: “Deshalb folgt daraus, dass der Arzt nicht alles, was er können und wissen soll, auf den Hohen Schulen lernt und erfährt, sondern er muss auch zeitweise zu alten Weibern, Zigeunern, Schwarzkünstlern, Landfahrern, alten Bauersleuten und dergleichen mehr unachtsamen Leuten, in die Schule gehen und von ihnen lernen. Denn diese haben mehr Wissen von solchen Dingen als alle Hohen Schulen (Paracelsus: IV/325).
Offenheit ist die Voraussetzung, um auf diesem Weg zu nützlichen Erfahrungen zu kommen, sonst wird man nur seine eigenen Vorurteile bestätigen oder dogmatisch werden. Auf seinen zahlreichen Wanderungen sind ihm sicherlich die merkwürdigsten Menschen begegnet von denen er viel lernen konnte. Dies war wohl überaus nützlich, “weil keinem der Meister im Hause wächst und weil keiner seinen Lehrer hinter dem Ofen hat. Nicht alle Künste sind im Vaterland eines Menschen verschlossen, sondern sie sind in der ganzen Welt verteilt” (Paracelsus I/480).
Die magischen Künste
Sie bilden die sechste Möglichkeit zu Wissen zu kommen. Hierunter verstand er die Kunst der Divination durch Betrachtung der Sterne, Kartenlegen oder Geisterbefragung. Auch das Rutengehen, die er als ungewisse Kunst bezeichnete, gehörte für ihn dazu. Er warnt jedoch vor den zahlreichen Fallstricken, die auf diesem Weg zu meistern sind, um nicht irgendwelchen Irrlichtern zu folgen. Den Heiler, der diesen Weg geht, nannte Paracelsus “Spirituales” (spiritus – Geist). Für ihn ist die Natur von intelligenten Wesen beseelt. Mit magischen Künsten gebietet er über die Pflanzen-, Wurzelgeister und Gnome der Erde. Dazu gehört, dass er mit den Elementarwesen, die mit Pflanzen, Tieren und Gesteinen in Verbindung stehen, kommunizieren kann, allerdings nicht auf eine Weise wie es unter Menschen üblich ist. Vielmehr ist es die innere Stimme, die einen führt. Manche dieser Heiler haben die Fähigkeit, die Aura einer Pflanze und die damit verbundenen Geistwesen mit ihrem inneren Auge wahrzunehmen. Es ist ihnen möglich, sie in ihrem Geist zu visualisieren und deren heilende Energie auf den Kranken zu übertragen.
Haben allerdings Geistwesen die Seele des Kranken besetzt oder geraubt, dann ist es seine Aufgabe, in der unsichtbaren Welt um ihre Freiheit zu kämpfen. Seherische Gaben zeigen dem Magier dabei die richtige Methode. Dazu verwendet er neben der Visualisierung noch weitere Techniken, die man heute fast nur noch bei Schamanen kennt, beispielsweise Opfer- und Räucherrituale oder Beschwörungen. Ist die Krankheit allerdings durch Zauberei entstanden, beispielsweise durch einen Fluch, dann erfordert die Heilung einen Gegenzauber. In solchen Fällen helfen Amulette oder andere magische Techniken wie die Bild- und Puppenmagie, die Paracelsus an vielen Stellen als Methode erwähnte.
Offenbarung
Dieser Weg ist wohl der Geheimnisvollste, denn es sind die Engel und Dämonen, die einem hier die Künste lehren. Agrippa von Nettesheim, ein Zeitgenosse des Paracelsus, schrieb über diese Art von Lehrer: “Dämonen nenne ich aber hier nicht jene Wesen, die wir Teufel heißen, sondern ich verstehe darunter Geister nach der eigentlichen Bedeutung des Wortes, die gleichsam wissend, verständig und weise sind” (Agrippa von Nettesheim).
Für Paracelsus waren es Vermittler der Worte Gottes. Ihr Wissen teilen Sie in Träumen, Visionen oder als innere Stimme mit, deren Worte die Seele beflügeln, aber auch erschüttern können. Dieses ganz besondere Wissen zeigt einem den Weg zum Arkanum, zur wahrhaft heilenden Arznei; er schrieb: “Deshalb hat Gott durch Mittel bestimmt und angeordnet, das solche Arcana und Mysteria durch gute Geister den Menschen offenbart werden.” In seltenen Fällen kommt es vor, dass solche Geister von einem Menschen Besitz ergreifen und sein ganzes Wesen mit Liebe und Erkenntnis durchdringen. “Manche Menschen nehmen die Natur von Engeln vom Himmel an sich. Solche Menschen haben dann einen vollkommenen Verstand der Natur. Sie können besser als andere Menschen über ihren täglichen Lauf nachdenken. Sie können das Reine vom Unreinen unterscheiden” (Paracelsus: III/363).
Eine Heilkundige, die er besonders schätzte, erwähnte Paracelsus in diesem Zusammenhang – Hildegard von Bingen. Er schrieb, dass sie ihre Arzneien träumen würde und dass solche Träume durch die Engel direkt von Gott kämen und dass dieser Weg am Wahrhaftesten sei. Voraussetzung, um den Weg der inneren Stimme gehen zu können, sind jedoch die Philosophia Adepta, die Tugend und die Liebe. So schließt sich der Kreis.
Literaturhinweise
- Frank Geerk: Paracelsus, Arzt unserer Zeit; Benziger Verlag, Zürich, 1992
- Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia; Nachdruck Greno Verlag Nördlingen, 1987
- Paracelsus: Sämtliche Werke, übersetzt von Bernhard Aschner; Nachdruck Anger Verlag Eick; 1993.
- Paracelsus: Septem Defensiones – Die Selbstverteidigung eines Aussenseiters; übertragen und eingeführt von Gunhild Pörksen; Schwabe Verlag Basel, 2003
- Olaf Rippe, Margret Madejsky, Max Amann, Patricia Ochsner, Christian Rätsch: Paracelsusmedizin; AT Verlag, Aarau 2001
- Olaf Rippe, Margret Madejsky: Kräuterkunde des Paracelsus; AT Verlag, Aarau, 2006
- Heinrich Schipperges: Der Garten der Gesundheit; Artemis Verlag, München / Zürich, 1985