“Die Werke machen den Meister und Doktor, nicht Kaiser, nicht Papst, nicht Fakultät, nicht
Privilegia, noch eine hohe Schule. (…) Es ist noch nie ein Arzt von den Hohen Schulen
hervorgegangen, auch nie einer, der imstande gewesen wäre, mit wahrem Wissen die
Ursache der wenigsten Krankheiten darzulegen” (Paracelsus: I/339)
Der Arzt geht durch der Natur Examen
Die Grundlage der Heilkunst ist nach Paracelsus die Philosophie. Bei der Suche nach Weisheit und Wissen ging es ihm aber nicht um Moral oder Logik. Im Sinne des Paracelsus ist Philosophie die Liebe zum Geist der Schöpfung und das sinnliche Studium der Natur. Er schrieb: “Die Philosophie lehrt die Kraft und Eigenschaft der Dinge” (II/513). “Was ist Philosophie? Die Erkenntnis der Gewächse der Erde und des Wassers, ihrer Natur und ihrer Kraft. Der ist auch ein Philosoph, der den Lauf des Menschen kennt, ihn erfahren hat und ihn erkundet” (II/534). Im Prinzip könnte dies die Anschauung eines modernen Naturwissenschaftlers sein, hätte Paracelsus nicht ein völlig anderes Verständnis von Natur gehabt. Er sprach an vielen Stellen vom Licht der Natur, das den Menschen leiten soll. Dieses Licht ist gleichbedeutend mit einem göttlichen Bewusstsein, dass sich in der Schöpfung manifestiert. Hat der Mensch den Schlüssel zum Naturverständnis gefunden, ist dies gleichbedeutend mit der Erkenntnis Gottes.
Obwohl von Gott geschaffen, ist die Natur jedoch etwas absichtlich Unvollkommenes, das der Mensch durch Beobachtung, Nachdenken und die Kunst der Alchemie zur Vollkommenheit bringen soll. Er sah in der Natur also kein Objekt der Profitmaximierung, sondern verstand sie als seinen spirituellen Lehrmeister, der ihm die Zusammenhänge besser erklären konnte, als jeder Mensch und jedes Buch. Dies war ein neuer und ungewöhnlicher Weg, denn Naturbeobachtungen waren nicht typisch für seine Zeit. Ein Arzt sollte schließlich kein Mystiker sein, sondern sich lieber mit den Grundlagen der Vier-Elementen-Lehre befassen oder die Texte antiker und arabischer Autoren studieren. Dagegen war Paracelsus ein Pionier auf dem Gebiet der Feldforschung, der sich auch nicht zu schade war, vom einfachen Volk zu lernen. Auf seinen zahlreichen Wanderungen durch Europa hatte er dazu genug Gelegenheit. Seine Kollegen hingegen ließen sich allerhöchstens in einer Sänfte von einem Ort zum anderen tragen. Das Durchstreifen der Natur zu Fuß war verpönt und nur etwas für Arme. Aber nur der Wanderer sieht, was für Schätze die Natur bereithält.
Der Adept folgt den Spuren der Göttin Flora; aus Atalanta fugiens von Michael Maier, 1618.
Die Natur ist des Künstlers Anführerin; die Vernunft ist der Stab, auf den er sich stützt, um nicht dummen
Irrtümern zu verfallen; die Erfahrung ist die Brille, die dem Künstler ermöglicht, Wahres von Unwahrem zu
unterscheiden. Das Lesen der Signaturen ist wie ein helles Licht auf dem Weg zur Erkenntnis.
Von den Tugenden
Wie Paracelsus immer wieder betonte ist jedoch alles Wissen vergebens, wenn sie nicht auf der Tugend aufbaut, die er mit der Liebe zur Schöpfung gleichsetzte. Erst die Integrität des Heilers macht ihn zu einem virtuosen Heilkünstler. Nach Paracelsus gibt es drei Möglichkeiten, um dies zu erreichen: Entweder wurden einem die Fähigkeiten in die Wiege gelegt oder man hatte einen guten Lehrer, der dritte und wahre Weg ist jedoch die Berufung durch Gott; er schrieb: “Es gibt drei Arten von Ärzten: Eine, die von der Natur durch die Ärzte des Himmels in der Konstellation, Influenz und Konzeption geboren wird, wie auch Musiker, Mechaniker, Redner und Künstler geboren werden. Eine zweite Art von Ärzten ist die, die von Menschen belehrt werden, in der Arznei erzogen und ausgebildet werden, soweit es einem Menschen möglich ist zu lernen oder soweit er kann. Die dritte Art ist die, die Gott gibt und die von Gott belehrt wird” (I/472).
Paracelsus spricht immer wieder von der Nächstenliebe als Barmherzigkeit, die man jedoch durch eigenes Bemühen erlangen muss. Sie ist die wichtigste Eigenschaft, um berufen zu sein. Sie ist auch die Grundlage des Heilens und nicht das Streben nach Ruhm oder Reichtum. Zu den Reichsten eines Ortes gehörten jedoch schon damals, neben Adeligen, Kirchenfürsten und Kaufleuten, immer auch Ärzte. Es versteht sich von selbst, dass sich er und seine Standeskollegen nicht besonders gut verstanden: “Die in weichen Kleidern und in Frauengemächern erzogen werden und wir, die wir unter Tannenzapfen aufwachsen, verstehen einander nicht gut” (Paracelsus: I/ 488).
Im Gegensatz zu anderen seiner Zunft, lebte Paracelsus bescheiden und er behandelte weniger betuchte Patienten auch umsonst: “Ihr (seine Standeskollegen) habt mir meinen geringen Reichtum und meine schlechte Kleidung (…) viel verargt und übel ausgelegt. Hätte ich mir alle meine Sachen so gut zahlen, und hätte ich mich vom Gelde verlockt und verleitet, den Nutzen meines Säckels mehr als den der Kranken beachtet, so wäre ich reicher als jeder von euch, ich bin aber auch ohne das reicher als ihr, weil ich ein beständigeres Gut habe als ihr. Die Kunst ist nämlich mein Gut und mein bester Reichtum. (…) Ich schweige von anderer Mühe und Arbeit, die ich umsonst getan habe. Besonders von den Armen habe ich nichts begehrt (Paracelsus: III/706 und 707).
Von Reichen nahm er jedoch auch beträchtliche Summen, wobei gerade die ihn oft um seinen wohlverdienten Lohn betrogen. Zum Beispiel behandelte er einmal den Domherren von Basel mit großem Erfolg, allerdings mit wenig Aufwand und auch nicht mit den üblichen Methoden. Als Salär waren 100 Goldtaler vereinbart, viel Geld für die damalige Zeit. Der Domherr wurde schnell gesund, nachdem er zuvor dutzende Ärzte verschlissen hatte, aber zahlen wollte er nicht. Schließlich landete das Ganze vor Gericht. Eigentlich sprach alles für Paracelsus, doch die Richter entschieden, dass er ein Scharlatan sei, da er nicht den üblichen Gepflogenheiten eines Arztes gefolgt war und der Domherr brauchte seine Schuld nicht bezahlen. Der Streit eskalierte daraufhin in aller Öffentlichkeit. In Pamphleten beschimpfte Paracelsus aufgebracht die Baseler Bürger und den Klerus. Schließlich drohte ihm die Verhaftung, die wahrscheinlich den Tod bedeutet hätte. Nur durch Flucht in letzter Sekunde konnte er seinem Schicksal entrinnen.
Weihnachtspostkarte mit Mistel und Schwarzer Nieswurz, um 1900.
Pflanzen des Winters eignen sich nach Paracelsus zur Behandlung von Krankheiten des
Winterplaneten Saturn, also bei Melancholie, Alters- und Immunleiden. Viel später leitete
Rudolf Steiner von den Signaturen dieser Pflanzen eine mögliche Heilwirkung beim
Karzimongeschehen ab.
Die Zeichensprache der Natur
Auf der Flucht war er eigentlich Zeit seines Lebens. Er durchquerte praktisch ganz Europa, Teile Asiens und Arabiens. Doch zuvor absolvierte Paracelsus wie jeder andere Arzt die damals übliche Ausbildung, die jedoch nur wenig mit Medizin zu tun hatte. Rhetorik, antike Philosophie und Bibelstudien standen auf dem Stundenplan, aber nur selten das Studium am Krankenbett und schon gar nicht das Studium der Natur. Krankheiten wurden meist nur theoretisch unterrichtet. Man lernte was die Säfte in Unruhe versetzt hatte und welche Therapieideen Hippokrates, Galen oder Avicenna hierzu angaben. Da man auf diese Weise nur selten helfen konnte, galten die meisten Krankheiten als unheilbar.
Veranstaltungen Paracelsusmedizin
Paracelsus sah die Dinge ganz anders. Er glaubte noch an die Weisheit, dass gegen jedes Leiden ein Kraut gewachsen sei. Seine wichtigsten Kenntnisse erwarb er sich auf mehreren Feldzügen als Wundarzt. Auch die Volksmedizin und das Wissen des fahrenden Volks achtete er sehr hoch. Sie zeigten ihm einen ganz eigenen Weg zum Naturverständnis, den er Zeit seines Lebens nicht mehr verlassen sollte. Bei seinen Naturstudien entdeckte er, dass sich die Vielfalt der Heilmittel mit ihren besonderen Merkmalen in den unterschiedlichen Krankheitsbildern widerspiegelt. Jedes potentielle Heilmittel offenbart seine Eigenschaften durch sichtbare, aber auch durch unsichtbare Zeichen. Diese kann man nur entdecken, wenn man die Natur mit allen Sinnen durchforscht. Manche Heilmittel enthüllen dem aufmerksamen Betrachter ihr Wesen durch ihre spezifische Farbe und Zeichnung, andere durch ihre Form, ihren Geruch, ihren Standort oder ihren Geschmack. Diese Eigenschaften vergleicht man nun mit Krankheitssymptomen. Je mehr sich die Zeichen von Pflanzen, Mineralien oder Tieren mit der zu behandelnden Krankheit decken, desto wahrscheinlicher hat man eine potentielle Arznei gefunden; er schrieb: “Betrachtet beispielsweise die Rose oder Lilie. Zu welchem Zweck hat Gott ihnen ihre Form gegeben? Und allen anderen Dingen ebenso. Er hat den Arzt geschaffen und lässt ihm die Medikamente aus der Erde wachsen, und zwar in einer Weise, dass er die Anatomie dieser Erdgewächse erkennt. Dann soll sich der Arzt den Krankheitsanatomien zuwenden. Er wird dann eine Übereinstimmung von Krankheiten und Heilmitteln finden und erkennen, welche zueinander gehören. Aus der Parallelität dieser beiden Anantomien erwächst der Arzt, ohne sie ist er nichts. (…) So sollen wir Gott in seinen Wunderwerken erkennen und in uns ermessen, dass alle sonderbaren Bildungen, die es gibt, von der gleichen Natur sind, wie die seltsamen Krankheitsbilder” (Paracelsus: I/82).
“Wie weit du die Bäume und Kräuter verstehen kannst, so weit ist es dir erlaubt, die
Krankheit zu ergründen und nicht weiter” (Paracelsus: II/228).
Paracelsus verglich Krankheiten außerdem mit astrologischen Prinzipien, Wetterphänomenen oder den Jahreszeiten. So sind Krankheiten der Wintersterne Mond und Saturn mit Pflanzen zu behandeln, die zur Winterzeit besondere Merkmale aufweisen. Beispiele wären die im Winter blühende Christrose (Helleborus niger) oder dann fruchtende Pflanzen wie Efeu (Hedera helix), Stechpalme (Ilex aquifolium) und Mistel (Viscum album). Alle genannten Pflanzen eignen sich zur Behandlung von Winterdepressionen, Infektanfälligkeit und Vergreisung der Vitalfunktionen. Die Welt der Heilmittel und Erscheinungen nach diesen Kriterien zu beurteilen, ist die Lehre von den Signaturen, die Paracelsus zwar nicht erfunden, aber zu neuem Leben erweckt hat. Die Signaturenlehre als Erkenntnisweg ist die “Philosophia Adepta”, “sie weiß alle verborgenen Dinge, alle Geheimnisse, alle Arcana (Heilkräfte) der Natur, sie weiß, was in einem jeden Kraut, Samen und in einer jeden Wurzel zu finden ist” (Paracelsus: IV/560).
Auf der einen Seite untersuchte er dazu Naturstoffe, zum Beispiel die biologischen Eigenschaften von Pflanzen oder die Zusammensetzung der Wässer von Heilquellen, und verglich die Ergebnisse mit anderen Analysen, um Gesetzmäßigkeiten zu entdecken. Neben dieser modernen wissenschaftlichen Methodik, kannte er aber noch den Weg der intuitiven Naturerkenntnis. Er sprach von Elementarwesen, die verborgenes Wissen hüten, von einer inneren Stimme, Träumen und Visionen, die ihm die Engel oder Gott selbst sandten und die ihm die Kräfte der Natur offenbarten. Man kann sich vorstellen, wie anders eine Erkenntnis ausfällt, wenn sie von dieser Naturmystik durchdrungen ist, als wenn man den Skeptizismus unserer Zeit und die Ablehnung jeder Metaphysik zur Grundlage des Forschens macht.
Blauer Eisenhut und Gelber Enzian wachsen oft am selben Standort;
sie sind beide im Grippemittel Metavirulent enthalten
Fotos Olaf Rippe
Die sieben Wege zum Wissen
In seinem Buch “Liber de Cadicis – das ist über die hinfallende Krankheit” beschreibt Paracelsus sieben Wege, mit deren Hilfe man sich Wissen aneignen kann. Drei dieser Wege befassen sich allein mit der Signaturenlehre: Chiromantie, Physionomie und Anatomie oder die Kenntnisse über die Form.
Chiromantie
Nicht ohne Grund hat dieser Weg denselben Namen wie die Hand- und Nageldiagnostik, denn aus den Linien der Hände und Nagelzeichen kann man auf das Wesen des Menschen und seine Gebrechen schließen. Aber nicht nur die Hand, sondern der ganze Körper kann chriromantische Zeichen aufweisen. Doch auch Kräuter zeigen chiromantische Zeichen. Er schrieb über die Verwandtschaft von Heilmittel und Krankheit: “Nun ist das in der Weise zu suchen, dass aus der Chiromantia die Gleichheit der Form in den natürlichen Dingen angezeigt wird, dass nichts in den Gewächsen ist, was nicht auch der Mensch in sich hat. Wo die Übereinstimmung nicht ist und gefunden wird, sind alle Composita umsonst und vergebens” (Paracelsus: II/231f).
So deuten die milchig-weißen Linien der Mariendistelblätter auf die Verwendung bei Lympherkrankungen hin (enthalten in “Lymphdiaral Basistropfen” von Pascoe), während der rote Stängel des Mädesüß (Filipendula ulmaria) eine Signatur für ein Heilmittel bei Entzündungen ist. Der Blütenaufbau des Augentrost (Euphrasia officinalis) erinnert an ein Auge, die Rinde der Birke (Betula pendula) dagegen an einen trockenen Hautausschlag wie bei Psoriasis oder Neurodermitis. Wie soll es anders sein, ist dies nicht nur eine Assoziation, sondern tatsächlich ist der Augentrost ein bewährtes Mittel bei Augenentzündungen und die Birke ein wunderbares Hautmittel.
Zur Chiromantie gehören aber auch die Vergesellschaftung von Pflanzen, ihr Standort, ihre Vorlieben für Licht oder Dunkelheit, ihr Geruch, ihre Farbe oder der Geschmack. Es ist also keineswegs ein simpler Weg, wie Kritiker oft behaupten. Vielmehr erfordert er ein ganz genaues Beobachten, ein vertieftes Verständnis der Phänomene, bei deren bloßen Beschreibung man eben nicht stehen bleibt, sondern durch Assoziationen den Weg zum Menschen und seinen Krankheiten findet.
Die Blüte vom Augentrost hat die “Chiromantie” des Auges
Physiognomie
Sie beschreibt die Kunst, “welche das Wesen anzeigt, welches inwendig verborgen liegt” (Paracelsus II/310). Man könnte dies als “intuitiven” Weg der Naturerkenntnis bezeichnen. Zunächst betrachtet man die äußeren Merkmale ganz genau und sucht nach Gemeinsamkeiten zu anderen Pflanzen und natürlich auch nach Unterschieden. Ein Botaniker macht es eigentlich nicht viel anders, nur sucht er nicht die Brücke zur Therapie. Betrachtet man nun z.B. den Gelben Enzian mit dem oft direkt daneben wachsenden Blauen Eisenhut, dann wird man feststellen, dass beide sehr konträr auf den Betrachter wirken. Während sich die gelben Blüten des Enzians ganz dem Licht zuwenden, die Blätter ein lichtes Grün ausstrahlen und sich wunderbar paarweise geordnet zeigen, verhält sich der Eisenhut ganz anders. Seine schwarzblauen Blüten schirmen sich zum Licht ab, die gefiederten schwertförmigen Blätter glänzen in einem Schwarzgrün – alles zeigt dem Instinkt, dass es sich um eine tödliche Giftpflanze handeln muss. Und doch gehören beide Pflanzen zu demselben Lebensraum, sie haben also eine gemeinsame Chiromantie, auch wenn die Physiognomie völlig konträr erscheint. Als Signaturkundiger muss man daher überlegen, ob es nicht eine geheime Beziehung zwischen den Mitteln gibt. Und tatsächlich haben sich beide Mittel in der Behandlung fieberhafter Infekte bewährt, wobei natürlich der Giftgeist des Eisenhuts durch die Kunst der Alchemie gezügelt werden muss, was beim Enzian nicht notwendig ist, da er sich in allen Signaturen als Freund des Menschen zeigt. Beide Mittel sind beispielsweise Bestandteil des Grippemittels “Metavirulent N” von MetaFackler.
Die Physiognomie ist für Paracelsus ebenfalls eine Folge der Sternenwirkung die sich auf alle Naturreiche bezieht, also auch auf den Menschen, seinen Organen und Krankheiten; er schrieb: “Der Himmel gibt die Physionomie. Nun wisse auch, dass er es innerlich wie äußerlich gibt. Kannst du es äußerlich sehen, dann sieh auch innerlich. Siehst du die Komplexion des Mars äußerlich im Antlitz des Martialischen, dann sieh auch den Menschen innerlich in seiner Komplexion” (Paracelsus: II/273). Heilmittel werden nach dieser Vorstellung durch die Korrespondenzen von Planet, Organ, Pathologie und Signatur der Arzneien erkannt; um beim Beispiel des Mars zu bleiben: Der kriegerische Planet Mars hat einen hitzigen Charakter; sein korrespondierendes Sternzeichen ist der Widder, der im Körperaufbau dem Kopf entspricht. Ist der Mars im Menschen übermäßig ausgeprägt, kommt es gehäuft zu entzündlichen Leiden, Migräne oder cholerischen Gefühlsausbrüchen. Die Heilmittel für eine pathologische Marsenergie müssen nun ebenfalls etwas marsianisch sein. Entsprechende Signaturen wären Stacheln, Dornen, Brennen bei Berührung, scharfer Geschmack oder Rottöne. Mögliche Heilmittel wären beispielsweise Benediktenkraut (Cnicus benedictus) oder Schöllkraut, also eine Ableitung über das Marsorgan Galle. Da sich die Qualitäten von Heilmittel und Krankheit sehr entsprechen, sind nur geringe Mengen erforderlich, Paracelsus gab dann auch gerne alchimistisch verfeinerte Präparate – heute käme noch die Homöopathie infrage. Bei einer geringen Marsqualität kommt es zu Erschöpfung und Anämie – hier hat sich die Kombination von Brennnessel (Urtica dioica) und Schlehe (Prunus spinosa) mit Hämatit (Bluteisenstein) bewährt, z.B. das Handelspräparate “Prunuseisen” von Wala. Da ein mangelzustand vorliegt, kann die Menge, im Sinne einer Substitution, durchaus höher sein.
Flusskrebs und Krebssteine, die er beim “Häuten” in seinem Körper erzeugt.
Fotos: Olaf Rippe
Form
“Indem eine Form die andere anzeigt, so dass Gleiches zu Gleichem gekommen ist” (Paracelsus II/310) hat man eine möglichen Weg zu einem Heilmittel gefunden. Heilmittel und Krankheit müssen also eine ähnliche Formstruktur aufweisen – hierzu Beispiele: Krebssteine wurden bereits weit vor Paracelsus zur Behandlung von Nieren- und Blasensteinen verwendet, auch bei ihm gibt es viele entsprechende Rezepte. Doch was hat der Krebsstein mit dem Blasenstein gemeinsam? Wenn der Krebs seinen Panzer wechselt, was mehrmals in seinem Leben geschieht, wendet er folgenden Trick an – er löst den Kalk aus seinem Panzer aus und formt daraus “Krebsaugen”, kleine, kalkweise, linsenförmige Gebilde, die er in einem Teil seines Magens zwischenlagert, der im Kopfbereich liegt. Jetzt ist der Panzer weich genug, und er kann herausschlüpfen. Danach löst er das Kalkkonglomerat auf und härtet seinen Panzer wieder aus. “Solve et coagula” – löse und schlage nieder, ist eine der wichtigsten Regeln der Alchemie. Der Krebs beherrscht diese Kunst vollkommen und dient nun als alchemistisch modifiziertes Heilmittel dem kranken Organismus als Vorbild zur Auflösung von Steinen im Flüssigkeitsorganismus. Mit dem Präparat “Silex lapis cancri solutus” liefert die Firme Weleda ein entsprechendes Präparat.
Ein weiteres Beispiel ist der Weinstein, der bei der Lagerung in Holzfässern aus dem Wein ausfällt und sich als kristalline Kruste am Rand absetzt. Auch hier handelt es sich um eine Koagulation von einem Feststoff aus dem Flüssigen. Dies hat Alchemisten schon immer fasziniert. Entsprechend bearbeitet dient der Weinstein zur Auflösung und Ausleitung von Stoffwechselschlacken und der Anregung der Blutbildung. Auch hier liefert Weleda ein besonderes Präparat, dass aus einer Kombination von Antimon, Safran und Koralle besteht, die man mit Weinbrand, Weinessig und Weinstein, also dem sulfurischen, merkuriellen und salhaften Anteil des Weins, in Beziehung gebracht hat: “Kalium aceticum comp.” – um das Schwere in die Leichtigkeit zu heben.
Erfahrung
Zur Beherrschung der Signaturenlehre braucht es vor allem Erfahrung. So gehört auch diese zu den sieben Wegen des Paracelsus. Sie “ist die Kenntnis von dem, was mit Wissen erprobt wird (I/516). (…) Es soll nicht verstanden werden, dass ein Experiment Erfahrung ist, sondern dass Erfahrung ist, was mit Wissen gefunden, gelernt und gegeben wird” (Paracelsus: I/517). Bloßes Experimentieren meint er also nicht, sondern ein lebenslanges schöpferisches Streben nach Erkenntnis, das auf der zuvor beschriebenen Philosophie und Tugend basiert. Der Weltengeist hat schließlich eine solche Dimension, dass man ihn niemals in seiner ganzen Größe erkennen, geschweige denn endgültig beschreiben kann.
Ein guter Lehrer
Ein weiterer Weg zum Wissen ist die Überlieferung von Mensch zu Mensch, damit natürlich auch gute Bücher. Dies erfordert allerdings Respekt vor dem Wissen und der Erfahrung anderer. Ob man eine Hochschule besucht hat, ein einfacher Bauer ist, zum fahrenden Volk gehört, eine andere Hautfarbe oder einen anderen Glauben hat, ist völlig egal. Jeder ist ein potentieller Lehrer, sofern er sein Wissen erprobt hat und in der Kunst erfahren ist: “Deshalb folgt daraus, dass der Arzt nicht alles, was er können und wissen soll, auf den Hohen Schulen lernt und erfährt, sondern er muss auch zeitweise zu alten Weibern, Zigeunern, Schwarzkünstlern, Landfahrern, alten Bauersleuten und dergleichen mehr unachtsamen Leuten, in die Schule gehen und von ihnen lernen. Denn diese haben mehr Wissen von solchen Dingen als alle Hohen Schulen (Paracelsus: IV/325).
Offenheit ist die Voraussetzung, um auf diesem Weg zu nützlichen Erfahrungen zu kommen, sonst wird man nur seine eigenen Vorurteile bestätigen oder dogmatisch werden. Auf seinen zahlreichen Wanderungen sind ihm sicherlich die merkwürdigsten Menschen begegnet von denen er viel lernen konnte. Dies war wohl überaus nützlich, “weil keinem der Meister im Hause wächst und weil keiner seinen Lehrer hinter dem Ofen hat. Nicht alle Künste sind im Vaterland eines Menschen verschlossen, sondern sie sind in der ganzen Welt verteilt” (Paracelsus I/480).
Wiener Codex, frühes Mittelalter
Der Heiler kniet vor der Göttin Natur mit ihrem Füllhorn zum “Gebet an die Erde”:
“…Dich, Göttliche, bete ich an, und Deine Gottheit rufe ich an (…) Erhöre mich
wohlgefällig und gegünstige meine Unternehmungen (…). Überlasse mir diese
Deine Medizin. Sie gelange zu mir mit all Deiner Heilmacht. Was ich auch immer daraus
herstelle, es möge gut anschlagen. Wem ich diese Medizin gebe, wer sie auch immer von
mir empfängt, lassse sie alle gesund werden (…)”
Aus “Heilsamer Trunk” von H. Schipperges
Die magischen Künste
Sie bilden die sechste Möglichkeit zu Wissen zu kommen. Hierunter verstand er die Kunst der Divination durch Betrachtung der Sterne, Kartenlegen oder Geisterbefragung. Auch das Rutengehen, die er als ungewisse Kunst bezeichnete, gehörte für ihn dazu. Er warnt jedoch vor den zahlreichen Fallstricken, die auf diesem Weg zu meistern sind, um nicht irgendwelchen Irrlichtern zu folgen. Den Heiler, der diesen Weg geht, nannte Paracelsus “Spirituales” (spiritus – Geist). Für ihn ist die Natur von intelligenten Wesen beseelt. Mit magischen Künsten gebietet er über die Pflanzen-, Wurzelgeister und Gnome der Erde. Dazu gehört, dass er mit den Elementarwesen, die mit Pflanzen, Tieren und Gesteinen in Verbindung stehen, kommunizieren kann, allerdings nicht auf eine Weise wie es unter Menschen üblich ist. Vielmehr ist es die innere Stimme, die einen führt. Manche dieser Heiler haben die Fähigkeit, die Aura einer Pflanze und die damit verbundenen Geistwesen mit ihrem inneren Auge wahrzunehmen. Es ist ihnen möglich, sie in ihrem Geist zu visualisieren und deren heilende Energie auf den Kranken zu übertragen.
Haben allerdings Geistwesen die Seele des Kranken besetzt oder geraubt, dann ist es seine Aufgabe, in der unsichtbaren Welt um ihre Freiheit zu kämpfen. Seherische Gaben zeigen dem Magier dabei die richtige Methode. Dazu verwendet er neben der Visualisierung noch weitere Techniken, die man heute fast nur noch bei Schamanen kennt, beispielsweise Opfer- und Räucherrituale oder Beschwörungen. Ist die Krankheit allerdings durch Zauberei entstanden, beispielsweise durch einen Fluch, dann erfordert die Heilung einen Gegenzauber. In solchen Fällen helfen Amulette oder andere magische Techniken wie die Bild- und Puppenmagie, die Paracelsus an vielen Stellen als Methode erwähnte.
Flammen der Erkenntnis fließen in den Geist der Hildegard von Bingen,
die Paracelsus besonders schätzte.
Aus “Wisse die Wege” um 1180
Offenbarung
Dieser Weg ist wohl der Geheimnisvollste, denn es sind die Engel und Dämonen, die einem hier die Künste lehren. Agrippa von Nettesheim, ein Zeitgenosse des Paracelsus, schrieb über diese Art von Lehrer: “Dämonen nenne ich aber hier nicht jene Wesen, die wir Teufel heißen, sondern ich verstehe darunter Geister nach der eigentlichen Bedeutung des Wortes, die gleichsam wissend, verständig und weise sind” (Agrippa von Nettesheim).
Für Paracelsus waren es Vermittler der Worte Gottes. Ihr Wissen teilen Sie in Träumen, Visionen oder als innere Stimme mit, deren Worte die Seele beflügeln, aber auch erschüttern können. Dieses ganz besondere Wissen zeigt einem den Weg zum Arkanum, zur wahrhaft heilenden Arznei; er schrieb: “Deshalb hat Gott durch Mittel bestimmt und angeordnet, das solche Arcana und Mysteria durch gute Geister den Menschen offenbart werden.” In seltenen Fällen kommt es vor, dass solche Geister von einem Menschen Besitz ergreifen und sein ganzes Wesen mit Liebe und Erkenntnis durchdringen. “Manche Menschen nehmen die Natur von Engeln vom Himmel an sich. Solche Menschen haben dann einen vollkommenen Verstand der Natur. Sie können besser als andere Menschen über ihren täglichen Lauf nachdenken. Sie können das Reine vom Unreinen unterscheiden” (Paracelsus: III/363).
Eine Heilkundige, die er besonders schätzte, erwähnte Paracelsus in diesem Zusammenhang – Hildegard von Bingen. Er schrieb, dass sie ihre Arzneien träumen würde und dass solche Träume durch die Engel direkt von Gott kämen und dass dieser Weg am Wahrhaftesten sei. Voraussetzung, um den Weg der inneren Stimme gehen zu können, sind jedoch die Philosophia Adepta, die Tugend und die Liebe. So schließt sich der Kreis.
Anmerkung
Die Literaturstellen zu Paracelsus sind mit dem jeweiligen Band und der Seitenzahl der vierbändigen Aschnerausgabe versehen.
Literaturhinweise
- Frank Geerk: Paracelsus, Arzt unserer Zeit; Benziger Verlag, Zürich, 1992
- Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia; Nachdruck Greno Verlag Nördlingen, 1987
- Paracelsus: Sämtliche Werke, übersetzt von Bernhard Aschner; Nachdruck Anger Verlag Eick; 1993.
- Paracelsus: Septem Defensiones – Die Selbstverteidigung eines Aussenseiters; übertragen und eingeführt von Gunhild Pörksen; Schwabe Verlag Basel, 2003
- Olaf Rippe, Margret Madejsky, Max Amann, Patricia Ochsner, Christian Rätsch: Paracelsusmedizin; AT Verlag, Aarau 2001
- Olaf Rippe, Margret Madejsky: Kräuterkunde des Paracelsus; AT Verlag, Aarau, 2006
- Heinrich Schipperges: Der Garten der Gesundheit; Artemis Verlag, München / Zürich, 1985
- Heinrich Schipperges: Heilsamer Trunk; Rombach Verlag, Freiburg, 2000
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