Die alchimistische Herstellung von Arzneien, die Spagirik, gehört zu den ältesten, noch heute verwendeten Verfahren in der Heilkunde. Die Weltvorstellung der Alchimisten reicht bis zu den Mysterienkulten der altägyptischen Kultur zurück. Aus der Zeit der Pharaonen sollen auch die Lehrsätze des Eingeweihten Hermes Trismegistos stammen, die “Tabula smaragdina”. Seine Gedanken bilden die geistige Grundlage von Magie, Astrologie und Alchimie, der Mutter aller Wissenschaften. Dieser Meinung war auch der Alchimist Kunckel: “Die Chymie (Alchimie) ist ohnstreitig eine der vornehmsten und nöthigsten Künste in der Welt und nicht unbillig eine Mutter und Ernährerin aller anderen Künste zu nennen (…) so ist wohl einem vernünftigen Menschen, nebst der Gottesgelahrtheit und Sorge vor seiner Seele, nichts nötiger und nützlicher, als die Erkänntnis der Natur, welche durch die Chymie einzig und allein erlernet wird. Daher ist es auch kommen, dass diese Kunst alsbald nach Erschaffung der Welt ihren Anfang genommen” (Kunkel, 1716, zit. n. Gebelein).
Das hermetische Weltbild
Das Weltbild des Hermes Trismegistos ist geprägt von der Vorstellung einer allumfassenden Harmonie. Alles steht mit allem in einer wechselseitigen energetischen Beziehung. Die sinnlich wahrnehmbare Natur bildet dabei das Spiegelbild einer kosmischen Urkraft, auch Logos, Weltengeist, Baumeister oder Gott genannt. Diese übersinnliche Urkraft bildet eine Einheit, die sich in der sinnlich wahrnehmbaren Welt als Vielheit darstellt. Sie offenbart sich den Sinnen im Mineral als Stoff, in der Pflanze als Vitalität, im Tier als Gefühl und im Menschen als Geist. Nach hermetischer Auffassung bildet der Mensch in dieser Vielheit wiederum eine Einheit, denn er ist gleichzeitig Mineral, Pflanze und Tier und darüber hinaus ein vernunftbegabtes Wesen, das über sich selbst und seinen Ursprung reflektieren kann. Wie Paracelsus bemerkte, bilden die Naturreiche die Buchstaben, aus denen sich das Wort Mensch zusammensetzt. Der Mensch ist also ein Abbild des Weltenlogos, der sich zwar in allen Naturreichen offenbart, aber als solches nur vom Menschen wahrgenommen werden kann. “Alle Erkenntnis der Welt, die wir Menschen auf Erden besitzen, stammt nur aus dem Lichte der Natur. Dieses Licht der Natur reicht vom Sichtbaren zum Unsichtbaren und ist hier so wunderbar wie dort. Im Lichte der Natur ist das Unsichtbare sichtbar.” (Paracelsus)
Obwohl ein Spiegelbild des Göttlichen, ist der Mensch unvollkommen geblieben, denn er soll durch eigenes Nachdenken und durch seine schöpferischen Fähigkeiten selbstständig den Weg zur Vollkommenheit finden. In seiner Unvollkommenheit ist er wie alles in der Natur, dem Prinzip der Vergänglichkeit unterworfen. Mit der Vergänglichkeit, dem Gesetz des Gottes Kronos/Saturn, ist aber nicht nur das Alter, sondern auch die Krankheit und der Tod verbunden. Für den Alchimisten bilden diese Drei nicht unbedingt etwas negatives, sondern das Fegefeuer, in dem sich die unsterbliche Seele läutern kann. Alter bedeutet auch Reifung, Krankheit auch Auflösung und erst der Tod bietet die Möglichkeit zur Wiedergeburt auf einer höheren Bewusstseinsstufe, ähnlich den Metamorphosen eines Schmetterlings. Diese Transmutation des Bewusstseins ist allerdings auch schon im Leben selbst möglich. In den Mysterienkulten der Antike wurde der Adept dazu in einen todesähnlichen Zustand versetzt, um als neuer Mensch zu erwachen. Nach den Vorstellungen der Alchimisten kann ähnliches auch durch eine alchimistisch zubereitete Arznei geschehen.
Mann und Frau arbeiten am geistigen Werk; Mutus liber, das stumme Buch der Alchimie
Hierzu muss man wissen, dass für den Alchimisten die sinnlich wahrnehmbare Natur ein stoffliches Gefäß darstellt, in dem sich das Geistartige unsichtbar verborgen hält, vor allem gilt dies für Mineralien. Ziel des alchimistischen Arbeitens ist es, das Geistartige aus dem Stoff zu extrahieren, um es mit geeigneten Verfahren anzureichern – dies ist dann die Arznei, die Krankheit in Gesundheit verwandeln kann. Paracelsus hierzu: “Was die Augen am Kraut sehen, ist nicht Arznei, oder an Steinen, oder an Bäumen. Sie sehen nur die Schlacke, innen aber unter der Schlacke, da liegt die Arznei. Nun muss zuerst die Schlacke der Arznei genommen werden. Dann ist die Arznei da. Das ist Alchimie und die Aufgabe Vulcani.”
In unserer vom Reduktionismus geprägten Betrachtungsweise der Welt glaubt der moderne Wissenschaftler, durch Analyse des Stofflichen das Unsichtbare zu erfahren. Die Ergebnisse sind beeindruckend, vor allem was die Herstellung synthetischer Dinge angeht, aber dem Wesen des Unsichtbaren ist der Wissenschaftler nicht einen Millimeter näher gekommen. Um es mit Goethe zu sagen: “Geheimnisvoll am lichten Tag / Lässt sich Natur des Schleiers nicht berauben / Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, / Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.” Um zu wissen, was in diesem Artikel steht, genügt es eben nicht, das Papier zu analysieren, auf dem er gedruckt wurde, sondern man muss ihn gelesen haben, dies erfordert keine chemische, sondern eine al-chemische Sichtweise.
Das Geheimnisvolle und Unsichtbare bezeichnete Paracelsus als Quintessenz. Darunter verstand er eine Kraft jenseits der vier Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft, die als die vier Mütter des Sichtbaren gelten. Dieses “fünfte” Element ist der Geist im Stoff, Paracelsus nannte es auch Tugend oder das Licht in der Natur.
Paracelsusmedizin bei Natura Naturans
Ein anderer Begriff ist “Mercurius”, nach dem Götterboten Merkur. Mercurius ist die geistartige Eigenschaft, die in einer körperlichen Form, dem Sulfur, schläft, die wiederum durch das Mineralische, dem Salz, sichtbar existiert. Merkur, Sulfur und Salz (Sal) sind für den Alchimisten Ausdruck des Sichtbaren. Sie bilden den Gegenpol zum Logos, der ebenfalls eine Trinität darstellt, denn “Gott ist dreifach” (Paracelsus). Einmal wird die göttliche Trinität als Gott-Vater, Sohn und heiliger Geist bezeichnet, ein anderes mal als Brahma, Vishnu und Shiva oder als Isis, Osiris und Horus. In der Hermetik ist es die Trinität von Unendlichkeit, Leere und Licht (Ain-Soph-Aur).
Die Kunst der Alchimie besteht nun darin, dieses Merkurielle, Geistartige oder Quintessentielle vom Stofflichen zu scheiden, es gleichsam zu erwecken. Paracelsus meinte hierzu: “Quinta Essentia ist eine Materie, die körperlich aus allen Gewächsen und aus allem, in dem Leben ist, extrahiert wird. Sie wird von jedem verunreinigenden und vergänglichen Stoff geschieden und subtil sehr rein von allen Elementen gesondert. Es ist nun zu verstehen, dass Quinta Essentia nur die Natur, Kraft, Tugend und Arznei ist, die in dem Dinge ohne eine herbe und fremde Beimengung enthalten ist. Sie ist auch die Farbe, das Leben und die Eigenschaft des Dinges. Sie ist ein Geist, der dem Lebensgeist gleicht. (…) Dass es einen so trefflichen und richtigen Namen hat, wird dadurch verursacht, weil es ein Arcanum ist, das unkörperlich, unsterblich und ewig lebend ist. Seine Natur kann vom Menschen nicht verstanden werden. (…) Es hat die Macht uns zu verändern, zu verwandeln, zu erneuern und wieder herzustellen, wie die Arcana Gottes. (…) Arcanum ist jede Tugend des Dinges tausendfach verbessert. (…) Sie erhalten den Körper in Gesundheit, sie vertreiben die Krankheiten, sie befreien das traurige Gemüt, sie bewahren vor jeder Ungesundheit und Krankheit (…).”
Blick in das Labor der Firma Aurora Pharma; Foto Olaf Rippe
Das Arkanum – die substanzlose Arznei
Das Kosmische Licht verwandelt sich erst durch die Macht der Gestirne in Substanz. Wie durch ein Prisma teilt sich das Göttliche in sieben Strahlen, den Planetensphären von Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn. Diese Sieben bilden einen energetischen Raum, aus dem sich die Substanzen herausbilden. Was Paracelsus als Tugend bezeichnete, zeigt sich in der Natur also auf siebenfache Weise. Besonders intensiv verkörpern sich die kosmischen Kräfte in den sieben Planetenmetallen Silber (Mond), Quecksilber (Merkur), Kupfer (Venus), Gold (Sonne), Eisen (Mars), Zinn (Jupiter) und Blei (Saturn). Die sieben Sphären bilden zusammen wiederum eine Einheit. Das Mensch als Abbild des Göttlichen ist diese Einheit, er ist der Mikrokosmos. In ihm verkörpern sich die sieben Kräfte in den sieben Planetenorganen: Gehirn (Mond), Lunge (Merkur), Niere (Venus), Herz (Sonne), Galle (Mars), Leber (Jupiter), Milz (Saturn).
Selbstverständlich ist das Wirken der Gestirne nicht auf diese Organe beschränkt, diese bilden vielmehr energetische Zentren, von denen sämtliche weiteren Körperfunktionen abhängen, auch die seelischen. Nur der Geist des Menschen ist vom Wirken der Gestirne unabhängig. Die hermetische Lehre der Korrespondenzen ist die Grundlage der magischen Wissenschaften Astrologie und Alchimie, denn “In Wahrheit, gewiss und ohne Zweifel: Das Untere ist gleich dem Oberen und das Obere gleich dem Unteren” (Hermes Trismegistos). Aus dieser Vorstellung heraus ergibt sich auch das therapeutische Vorgehen, indem man ähnliches auf ähnliches wirken lässt; demnach wäre z.B. Silber das beste Heilmittel für das Gehirn usw.. Dies bewirkt eine Harmonie auf der physischen und seelischen Ebene, so dass der Geist des Menschen frei wird, um im Göttlichen zu sein.
Wie auch Paracelsus angibt, ist durch das Sternenwirken alles mit allem verbunden, daher muss man ihre Kräfte natürlich auch bei der Herstellung von Arzneien beachten: “Wenn nun die Astra (Sterne) das bewirken, so wisset hier auch, dass diese Bereitung (Arzneiherstellung) so eingerichtet sein wird, dass sie den Astra unterworfen sein wird (Operationen in Korrespondenz mit astrologischen Phänomenen). (…) Man muss verstehen, dass die Arznei in den Gestirnen bereitet werden soll und dass die Gestirne die Heilmittel werden” (die Astra heilen das Astrale im Menschen).
Die Scheidekunst führt dazu, dass das kosmische Licht durch die Zerstörung der Substanz befreit wird. Es wird mit anderen Worten gasförmiger und chaotischer, weil durch den Sterbeprozess die stoffliche Ordnung aufgelöst wurde. Bildhaft ausgedrückt, steigt das Essentielle, das nunmehr völlig ungebunden ist, zu seinem eigentlichen kosmischen Ursprung hinauf. Man könnte auch sagen, dass die Schwingung einer Substanz durch die Methoden der Scheidung feinstofflicher wird. Paracelsus hierzu: “Da nun der Himmel durch seine Gestirne die Leitung hat und nicht der Arzt, so muss die Arznei so in die Luft gebracht werden (alchimistische Scheidung), dass sie von den Astra beherrscht werden kann. Denn welcher Stein (Materie) wird von den Astra aufgehoben? Keiner, nur das Volatile (das Vergeistigte). Daran liegt es nun, dass viele in der Alchimie das Quintum Esse (Urstoff des Lebens) gesucht haben, was nichts anderes ist, als wenn die vier Corpora (die materielle Form) von den Astra genommen werden, und was dann zurückbleibt, das ist das Arcanum. Dieses Arkanum nun ist ein Chaos und kann von den Astra getragen werden, wie eine Feder im Winde.”
Durch geeignete Methoden kann man sanft und mit Spürsinn, das Feine aus dem Groben befreien. Da das Feine substanzlos ist, kann es sich nach seiner Befreiung gasförmig in alle Richtungen ausbreiten, seiner Natur nach richtet es sich aber primär nach oben. Die Kunst besteht nun darin, es in bestimmte Richtungen zu lenken und es nach seiner Vergeistigung in irgendeiner Form erneut niederzuschlagen (kondensieren, koagulieren), damit man es als Arznei einnehmen kann.
Handelt es sich um Mineralien, kann man sie z.B. mit Corrosiva lösen, beispielsweise Silber mit Salpetersäure oder Gold mit Königswasser. Hierbei handelt es sich um eine Verwandlung von Erde (fest) in Wasser (flüssig). Nun kann man sie durch Destillation in einen gasförmigen Zustand überführen (Luft). Durch Abkühlung in der Retorte schlägt sich das Metall wiederum nieder (Luft wandelt sich in Erde = Inkarnation).
Natürlich gibt es zahlreiche weitere alchimistische Operationen, die aber immer der gleichen Gesetzmäßigkeit folgen. Dieses Gesetz heißt “Lösen und Niederschlagen” (solve et coagula) und es ist der Schlüssel zum Arkanum. Bei Hermes Trismegistos heißt es: “Es steigt von der Erde zum Himmel empor und kehrt von dort zur Erde zurück, auf dass es die Kraft der Oberen und der Unteren empfange.”
Wie man die Quintessenz aus Pflanzen befreit, kann man bei Paracelsus ebenfalls nachlesen: “Nimm die wachsenden Dinge, wohl gestoßen und behalte sie in einem Standgefäß. Setze sie für vier Wochen in Pferdemist (garantiert eine gleichbleibende Bruttemperatur) und dann destilliere sie durch ein Bad. Die Quinta Essentia tritt per Alembicum über und der Körper bleibt am Boden. (…) Dann nimm das Wasser, das destilliert ist, und setze es wieder zu dem wachsenden Dinge (Destillat erneut mit Kräutern vereinigen). Lasse es per Pelicanum sechs Tage digerieren, so entsteht eine dicke Farbe. Diese scheide durch ein Bad, so geht der Körper über, während die Quinta Essentia am Boden bleibt. Dies scheide durch den retortischen Presser von den Schlacken (Abpressen, abfiltrieren = Destillation nach unten) und lasse Quinta Essentia vier Tage digerieren ( Reifungsphase).”
Ein anderer Weg ist der Ansatz frischer und kleinzerhackter Kräuter in Branntwein. Gut verschlossen, sollen die Kräuter einen Monat in Pferdemist faulen. Danach erfolgt die Destillation. Dem Destillat werden erneut frische Kräuter zugegeben und nach einer Reifephase wird erneut abdestilliert. Dies wiederholt man einige Male “bis der Branntwein den vierten Teil vom Safte der Kräuter erreicht. Dann destilliere durch den Pelikan mit neuen Zugaben für einen Monat. Dann scheide es und du hast das Magisterium” (Paracelsus).
Die Arzneien, die man durch solche Verfahren gewinnt, sind zunächst einmal ungiftig, denn eine Substanz ist nur giftig, solange Stoff und “Tugend” nicht geschieden wurden. Dies ist übrigens auch das Geheimnis der homöopathischen Herstellung von Arzneien, die ein besonders elegantes Verfahren der Vergeistigung darstellt.
Als Dosis von einem Arcanum genügen i.d.R. wenige Tropfen. Je intensiver die Quintessenz angereichert wurde, desto unwichtiger wird die Frage nach der Quantität. Die Transmutation ist aber erst vollkommen, wenn man bei der Herstellung zudem auf kosmische Gegebenheiten wie Mondphase, Jahreszeit, Tageszeit und Planetenstand, achtet. Eine der wenigen Firmen, die heute noch nach dieser Tradition arbeiten, ist das Laboratorium Soluna.
Destillation im Labor der Soluna; Foto Olaf Rippe
Spagirische Arzneiherstellung der Firma Soluna
Das Laboratorium Soluna ist weltweit einer der wenigen Hersteller spagirischer Arzneimittel, die heute noch existieren. Die Firma wurde 1921 von Alexander von Bernus (1880 bis 1965) gegründet, einem Lebenskünstler, Dichter, Alchimist und Freund vieler Geistesgrößen des 20. Jahrhunderts, z.B. Hermann Hesse, Rainer-Maria Rilke oder Rudolf Steiner. Bis heute blieben seine einzigartigen Rezepte und Herstellungsmethoden, die alle auf Paracelsus zurückgehen, weitgehend unverändert.
Eine wesentliche Neuerung seit dem Tod von Bernus ist vor allem der Anbau der verwendeten Pflanzen, bei dem nicht nur auf ökologische Gesichtspunkte geachtet wird, sondern auch auf kosmische Rhythmen. Beispielsweise durchläuft das Quellwasser zur Gartenbewässerung sieben Spiralen, um es mit den Schwingungen der sieben Planetenmetalle zu imprägnieren.
Viele Kräuter stammen auch aus Wildsammlungen in den umliegenden Bergen. Die Ernte und Verarbeitung der Heilpflanzen erfolgt ausschließlich per Hand und unter Beachtung astrologischer Konstellationen. Anschließend erfolgt eine äußerst schonende Trocknung. Wegen der besonderen Herstellungsweise muss man bei Soluna leider auf Frischpflanzen verzichten, die man ansonsten unbedingt zur Herstellung von Arzneien bevorzugen sollte. Doch auch aus getrockneten Pflanzen lässt sich eine “abgestorbene” Quintessenz, wie sie Paracelsus nannte, ausziehen.
Eine Besonderheit des Gartens in den Bergen nördlich von Bergamo ist die Anlage nach kosmischen Gesichtspunkten. So bilden die Anpflanzungen, die den Garten begrenzen, ein getreues Abbild des südlichen Sternenhimmels. Für jeden Stern setzte man einen von sieben unterschiedlichen Baum- bzw. Straucharten, eine Sisyphusarbeit, die Monate dauerte.
Die mineralischen und pflanzlichen Rezeptbestandteile der Solunate sind nach traditionellen astrologischen Gesichtspunkten ausgewählt. Dabei berücksichtigte von Bernus den volksmedizinischen Erfahrungsschatz, die paracelsische Signaturenlehre, also die Auswahl nach Geschmack, Geruch oder Aussehen und moderne Erkenntnisse über die pharmakodynamischen Eigenschaften der Substanzen.
Metalle und Mineralien bilden das Herz der Rezepte, während die pflanzlichen Bestandteile deren Heilkraft verstärken. Die Arzneien sollen in erster Linie die sieben Planetenorgane stabilisieren und regenerieren. Beispielsweise wirkt das goldhaltige Präparat “Cordiak” auf das solare Herz, das silberhaltige “Cerebretik” auf das lunare Gehirn und das antimonhaltige “Azinat” auf die Abwehrfunktionen der saturnalen Milz.
Anders, als sonst bei Komplexmitteln üblich, stellt man bei Soluna nicht zuerst die einzelnen Substanzen her, um sie dann für ein endgültiges Produkt zu mischen. Bei Soluna setzt man die Kräuter immer gemeinsam an und dies zusätzlich mit Mineralien, die man allerdings zuvor durch gesonderte alchimistische Prozesse in einen feinstofflichen Zustand überführt hat. Auf diese Weise vermischen sich bereits am Anfang der Herstellung sämtliche Eigenschaften der Einzelsubstanzen. Dies ist eine Vorgehensweise, die zwar in der Spagirik durchaus üblich ist, unter den bekannten Arzneifirmen aber ziemlich einzigartig sein dürfte.
Der Ansatz erfolgt in einem Alkohol-Wasser-Gemisch und einem Destillat, das aus einem vorhergehenden Produktionsablauf stammt. Das verwendete Wasser stammt von der Bissinger Auerquelle, einer besonders kräftigen Heilquelle. Das Destillat energetisiert den Ansatz. Der Alkohol, von Natur aus flüchtig, ist besonders gut geeignet, die quintessenziellen Eigenschaften der Ausgangssubstanzen zu extrahieren. Die Menge eines Produktionsablaufs beträgt nie mehr als sechs Liter, entsprechend der menschlichen Blutmenge. Nach dem Ansetzen wird das Gemisch in einen gesonderten Raum gebracht, der nach geomantischen Gesichtspunkten gebaut ist, und in dem sich ein Oktogon befindet, ein achteckiger gläserner Raum, während das Dach den Proportionen der Cheopspyramide entspricht Die Zahl Acht ordnet man in der Hermetik dem Planeten Merkur zu; der Raum soll also die Arznei merkurialisieren. Auf der Achtzahl beruht auch die Form des Taufbeckens. Im Oktogon soll die Arznei eine Art “Auferstehung” erfahren. Durch die Pyramide wird dieser Prozess noch einmal intensiviert.
Im Oktogon ruht das Gemisch sieben Tage, bei einer konstanten Temperatur von 37°C, analog der menschlichen Körpertemperatur. Nur zum Sonnenaufgang rührt man es 32 Mal im Uhrzeigersinn und zum Sonnenuntergang 28 Mal gegen den Uhrzeigersinn, was mit dem Rhythmus von Sonne und Mond korrespondiert. Der Zeitraum von sieben Tagen bewirkt, dass der Ansatz die Schwingungen der sieben Planetentage erfährt.
Die Ruhezeit im Oktogon entspricht der Fäulung und Lösung, wie sie von Paracelsus beschrieben wurde. Eine zusätzliche Hefegärung erfolgt nicht. Während dieser Ruhezeit werden, neben den flüchtigen Aromastoffen, auch alle nichtflüchtigen Substanzen, z.B. Bitterstoffe und Gerbstoffe, ausgezogen, diese sind auch im fertigen Handelsprodukt enthalten. “Giftige” Stoffe wie Helleborus oder Tabacum werden daher dem Ansatz in einer Dosis zugesetzt, die einer homöopathischen Verdünnung entspricht. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu anderen spagirischen Verfahren, bei denen nur das Geistartige ausgezogen wird, zumeist Aromastoffe. Die besonders intensive Wirkung der Solunate beruht sicher auch darauf, dass man bei der Herstellung ebenfalls das Wirkstoffprinzip berücksichtigt. Durch die nichtflüchtigen Wirkstoffe werden besonders die Vitalfunktionen von Stoffwechsel und Abwehr angeregt, während die flüchtigen Anteile und vor allem die Quintessenz der Mineralien und Metalle, eher auf das Seelisch-Geistige im Menschen wirken. Nach der siebentägigen Reifephase erfolgt eine mehrfache Filtration und die abschließende Umfüllung in Handelsflaschen.
Allerdings ist die Produktion damit noch nicht beendet, denn woher kam das Destillat, in dem der Ansatz erfolgte? Des Rätsels Lösung besteht darin, dass man den Rückstand nach der Filtration mit Quellwasser versetzt und, unter Luftkühlung, mehrfach schonend destilliert. Hierbei gibt man das Destillat immer wieder dem Rückstand zu. Nach der letzten Destillation wird der Rückstand endgültig kompostiert. Auf eine Veraschung des Rückstands wird verzichtet, da man Mineralien ja bereits dem Grundansatz zugegeben hatte und weil man durch die besondere Herstellung auch mineralische Bestandteile aus den Pflanzen im Handelspräparat findet. Das Destillat dient wiederum als Basis für einen neuen Herstellungszyklus.
Die Solunate sind daher nicht nur völlig ungiftige Arzneien mit einer intensiven Heilkraft und optimalen Verträglichkeit, sondern auch Präparate, in denen sich immer auch ein Anteil aus allen bisherigen Herstellungsprozessen findet. Auf diese Weise wird durch jeden Herstellungsprozess die Quintessenz in den Solunaten nochmals verfeinert und angereichert. Erst jetzt ist der Herstellungsprozess beendet, den man sich am besten kreisförmig vorstellt. Auf alten Bildern wird dieser Prozess oft als Krönungszeremonie dargestellt. Ein anderes Bild ist der Ouroboros, die Schlange, die sich selbst verschlingt. Sie ist ein Sinnbild für die Erweckung, die Wiedergeburt, die mehrfache Destillation und den ewigen Kreislauf der Schöpfung, der von Zyklus zu Zyklus vollkommener wird.
Einblicke in den Garten der Soluna: Der Planetenbrunnen; Das Oktogon zur Arzneireifung; Rosenanbau; Das Blei empfängt das Wasser so wie die Seele bei ihrer Inkarnation; Fotos Olaf Rippe
Literatur und Internet
- Aschner, Bernhard: Paracelsus Sämtliche Werke in 4 Bänden (1930); Anger Verlag, 1993
- Bernus, Alexander von: Alchymie und Heilkunst; 1. Auf. 1936; Neuauflage durch Verlag am Goetheanum, 1994
- Gebelein, Helmut: Alchemie; Diedrichs Verlag, 1991
- Junius, Manfred, Herausgeber Olaf Rippe: Praktisches Handbuch der Pflanzen-Alchemie; AT Verlag, 2016
- Rippe Olaf u.a.: Paracelsusmedizin; AT-Verlag; 2001
- Roob, Alexander: Alchemie und Mystik; Taschen-Verlag, 1996
- www.levity.com
- www.soluna.de
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