Als Hüterin von Schätzen oder Geheimnissen begegnet uns die Schlange weltweit in Schöpfungsmythen und Legenden. Dem Volksmund zufolge tragen Schlangen den Schlüssel zum Schatz im Maul – dahinter verbirgt sich das uralte Wissen von der Heilkraft des Schlangengifts, das schon in den alten medizinischen Hochkulturen als Lebenselixier galt. Seit Constantin Hering bereichern Polychreste wie Lachesis auch den Arzneischatz der Homöopathie. Kurz: Schlange und Heilkunst sind bis heute untrennbare Begriffe geblieben. Begeben wir uns also auf die Pirsch nach dem sagenumwobenen Symboltier.
Die Schlange und das Weltenei
(Pelasgischer Schöpfungsmythos)
Im Anbeginn der Welt gab es nur das finstere Urmeer Nun (Chaos), aus dem Eurynome, die Mutter der Welt, nackt hervorging. Zuerst trennte sie das Meer vom Himmel und tanzte einsam auf den Wellen gen Süden. Da erhob sich hinter ihr der Nordwind und die Göttin spürte, daß das Werk der Schöpfung beginnen konnte. Also rieb sie den Wind zwischen ihren Händen und es ward die Riesenschlange Ophion. Eurynome tanzte nun immer wilder, bis sich Ophion, lüstern geworden, um ihre göttlichen Glieder schlang und sich mit ihr paarte. Dann nahm die Göttin die Gestalt einer Taube an, und legte beizeiten das Weltenei. Auf ihr Geheiß wand sich die Schlange siebenmal um das Ei und bewachte es, bis es ausgebrütet war. Aus dem Weltenei wurden alle Dinge geboren: die Gestirne des Himmels sowie die Erde mit all ihren Lebewesen und der Sonnengott Re, der die Welt erhellte.
Die Schlange und das Weltenei, römisch; Kartheus, Südtirol
Die Schlange und das Geheimnis des ewigen Lebens
Vor langer Zeit sandten die Götter den Menschen einen Boten, der ihnen das Geheimnis der Unsterblichkeit übermitteln sollte. Doch der Bote bekam während seiner Wanderung Durst und wollte sich an einer Quelle erfrischen, die von einer Schlange bewacht wurde. Als das schlaue Tier bemerkte, daß der Mann ein Geheimnis hütete, versprach sie ihm listig, ihn trinken zu lassen, sobald er sich ihr anvertrauen würde. So erfuhr die Schlange, dass sie sich nur häuten muss, um ewig zu leben.
Die sich häutende Schlange galt im Aberglauben verschiedener Völker als unsterblich, denn man sah in der Häutung die Erneuerung der Lebenskraft. Lonicerus schrieb daher noch: „Wenn sie die Haut will abstreiffen / gehet sie durch ein eng Loch eines Felsen / streicht also ihr Alter ab“. Eine ähnliche Idee liegt der Darstellung als Ouroboros zu Grunde: Die Schlange, die sich in den Schwanz beißt, verschlingt sich selbst und gebiert sich selbst. Sie stellt den Übergang des Todes in ein neues Leben dar und verkörpert in der Hermetik das Prinzip der Wiedergeburt.
Längst ist das Geheimnis um die Häutung gelüftet: Anders als beim Menschen, dessen Hautzellen stetig nachwachsen und auch ständig abschuppen, erfährt die Schlangenhaut enorme Wachstumsschübe, die alle Epidermiszellen gleichzeitig erfassen, so dass die Hornschicht schließlich als Ganzes abgestreift werden kann. Dennoch zeigt der Vorgang Signaturkundigen mondhaftes Wirken an und lässt vermuten, dass Schlangenarzneien außergewöhnliche Regenerationskraft übertragen.
Das Element Erde nährt die Schlange an ihrem Busen; romanisch ca. 12.Jh., Burgund, Replike
Veranstaltungen zur Paracelsusmedizin
Schlangengift als Lebenselixier
„Ich will reisen als Gott, wie ein Hirsch, wie ein Hengst, wie eine Schlange, wie ein König stärker als alle.“ (Gällisches Gedicht)
Vor vuielen Jahren lernten mein Partner und ich im Sinai einen alten Beduinen namens Scheich Ali kennen. Sprühende Lebensenergie, stete Wachsamkeit und unzählige Lachfalten in einem sonnengegerbten Gesicht sind uns in Erinnerung geblieben wie auch folgende Erzählung: Einmal im Jahr, so verriet uns der Scheich, geht er mit seinem Kamel allein in die Wüste, um nach einer kleinen Baumschlange zu suchen. Sie lauert hinter Sträuchern oder schnellt aus Bäumen auf ihr Opfer herab und zählt zu den giftigsten Schlangen des Sinai. Ali schilderte uns lebhaft mit dem Messer gestikulierend, dass er das gebissene Glied notfalls abschneiden müsse, damit sich das tödliche Gift nicht im Körper ausbreitet.
So wie also unsereins im Frühling Brennnesseln sammelt, fängt Ali eben einmal jährlich diese Schlange! Hat er sie überlistet, dann kocht er sie sieben Stunden lang und verzehrt sie. Schließlich durchlebt er in sieben Decken gehüllt eine Heilkrise mit Schüttelfrost und Fieberdelirium. Jeden Morgen legt er eine der Decken beiseite. Wenn er am Morgen des siebten Tages erwacht und die letzte Decke entfernt, dann ist die Krisis überstanden und Ali fühlt sich wie neugeboren. Der Beduine folgt damit einer uralten Tradition. Im arabischen Sprachraum gilt der Genuss von Giftschlangen seit langem als Allheilmittel, das unverwundbar macht, ewige Jugend spendet und einen die Sprache der Tiere verstehen lässt.
Giftschlange in Alkohol als Elixier; Zypern
Schlangenzubereitungen in der Volksmedizin
Eine Jahre Frühjahr kamen wir der Schlange erneut auf die Spur. In einem abgelegenen Teil Mazedoniens bereiten sich die Alten noch immer Schlangenelixiere nach alter Tradition. So ist in einer der ansässigen Familien eine besondere Zubereitung in Gebrauch. Jeden Sommer wird eine „orcha“ (Giftschlange) zusammen mit Paprika in Essig und Öl eingelegt. Während der Wintermonate essen dann alle regelmäßig von der Paprika, in welche die Heilkraft der Giftschlange übergegangen sein soll. Bemerkenswert ist die überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung der Familienmitglieder: Fast alle konnten das 100. Lebensjahr überschreiten! Der 110 Jahre alte Urgroßvater führt dies neben frischer Luft, Quellwasser und karger Kost insbesondere auf das Schlangenrezept zurück.
Exotisch klingende Rezepturen dieser Art finden sich keineswegs nur in fernen Ländern. Auch im Alpengebiet gibt es vereinzelt noch ältere Heilkundige, die sich Giftschlangen als Lebenselixiere zubereiten. Im Vinschgau berichtete uns beispielsweise ein Mann, dass sein Großvater noch vor wenigen Jahren die am Sonnenberg heimische Aspisviper in Alkohol ansetzte und kleine Mengen desselben dann zur Stärkung zu sich nahm. Mancherorts soll auch der geröstete Kopf der Kreuzotter zu einem Pulver verrieben worden sein, das dann bei Schlangenbiss auf die Wunde gestreut wurde und auch sonst bei Wunden oder Geschwüren als heilsam galt.
Solche Rezepte wurden meist über Jahrhunderte hinweg mündlich überliefert – oft mit Legenden ausgeschmückt. In Mitteleuropa begegnet uns die Schlange nämlich immer wieder als heilige Haus- oder Krönlschlange, die die Seele der Ahnen beherbergt und einst sogar Milchopfer erhielt. Dabei finden sich verblüffende Parallelen im Volksglauben der Araber und der Alpenländler. Durch den Genuss von Schlangenfleisch erhoffte man sich in unseren Breiten ebenfalls Unverwundbarkeit und ewiges Leben. Schließlich findet sich ein ähnliches Motiv schon in der Sage vom Drachentöter: Durch das Bad im Drachenblut wurde der Held unverwundbar – außer an der Stelle, wo sich das Lindenblatt befand.
Hygieia, Tochter des Asklepios; Barock, 17 Jh. Basel
Allesheilender Schlangen-Theriak
Scheich Alis Schlangenkur, „Orcha in Essig & Öl“ oder der im Alpenraum gebräuchliche Vipernalkohol sind selten gewordene Relikte aus einer Heilepoche, deren Wurzeln Jahrtausende zurückreichen. Giftschlangen und Schlangengifte wurden bereits in den ersten schriftlichen Dokumenten der chinesischen Medizin erwähnt. Das sagenumwobene Reptil spielte jedoch auch in den medizinischen Hochkulturen Indiens, Ägyptens und nicht zuletzt im antiken Griechenland eine große Rolle. Alle bedeutenden Heiler vergangener Zeiten beschäftigten sich mit dem urzeitlichen Tier. So beschrieb schon der Arztvater Hippokrates (ca. 400 v. Chr.) die Wirkung von Schlangengift. Der griechische Arzt und Medizinreformator Galenos (2. Jh. v. Chr.) führte die Schlange schließlich in die abendländische Heilkunst ein. Seinerzeit enthielten zahlreiche Rezepte Giftschlangen, entweder zerkleinert oder als Ganzes, was sich auch in den folgenden Jahrhunderten nicht ändern sollte.
Zu königlichem Ruhm brachte es zum Beispiel der Theriak, das begehrteste mittelalterliche Allheilmittel, Universalgegengift, Potenzmittel und Verjüngungselixier. Ursprünglich enthielt er neben mineralischen Substanzen (z.B. Eisensulfat) und pflanzlichen Bestandteilen (z.B. Angelikawurzel, Opium) auch noch Schlangenteile. Einerseits wollte man durch den Zusatz von Giftschlangen eine gewisse Immunität gegenüber allen möglichen Giften erreichen. Andererseits erhoffte man sich, auf diese Weise jene Eigenschaften auf den Menschen zu übertragen, die man der Schlange zusprach.
Rezept: Moderner Theriak
Das mittelalterliche Lebenselixier enthielt ursprünglich mehrere Dutzend Bestandteile.Eine kräftigende und abwehrsteigernde Wirkung erreicht man auch mit wenigen Mitteln.
- 20 ml Vipera berus D6 (Gift der Kreuzotter),
- 100 ml Archangelica Fluidextrakt (Erzengelwurz),
- 20 ml Pyrit D6 (Eisendisulfid).
Die drei Grundbestandteile mit Sherrywein auf 0,25 Liter auffüllen und vor Gebrauch kräftig schütteln. Vitalisierende Kur: täglich ein bis zwei Teelöffel.
Merkur mit Schlangenstab; Bronze um 1570 Johann Gregor van der Schardt
Symboltier der Heilkunst
Obwohl man der Schlange weltweit und seit Jahrtausenden besondere Heilkraft zusprach, wurde sie im Abendland erst im 5. Jahrhundert vor Christus untrennbar mit der Heilkunst verknüpft. Zu dieser Zeit kam in Griechenland der Asklepioskult auf. Asklepios, der Gott der Heilkunst, erschien den Kranken während des Heilschlafs zuweilen als Schlange. In seiner anthropomorphen Gestalt hielt er einen Stab, um den sich jene Schlange6 wand, die ihm einst sein Vater Apollon sandte, um ihn in die Kräfte der Heilkräuter einzuweihen. Der göttliche Arzt besaß auch zwei Schalen voll Blut der Medusa, die ihm Zauberkräfte verliehen. Mit dem Blut der rechten Schale konnte er töten und mit dem der linken konnte er Tote wiedererwecken. Die Metapher steht zum einem für die fließende Grenze zwischen Gift und Arznei; das griechische Wort „pharmakon“ bezeichnete ursprünglich beides. Im Schlangengift vereinen sich diese scheinbaren Gegensätze zu einem Arkanum (wahre Arznei). Zum anderen ist die Schlange, die sich um den Aesculapstab windet und ihr Gift in eine Schale entleert, bis heute das Symbol der Heilkunst geblieben. Es versinnbildlicht die Macht des Heilers, der die feindlichen und todbringenden Kräfte, welche die Schlange verkörpert, für seine Zwecke gezähmt hat. Asklepios hatte jedoch seine Macht mißbraucht, um einen Sterblichen wieder zum Leben zu erwecken – er wurde deswegen vom erzürnten Zeus mit einem Donnerkeil getötet.
Renaissance der Schlangentherapie
Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte die Schlangentherapie eine Art Renaissance. Erste, empirische Untersuchungen weckten die Hoffnung, in bestimmten Schlangengiften wirksame Arzneien für Virusinfektionen sowie für neurologische Erkrankungen gefunden zu haben. Doch bis dahin war deren heilkundliche Verwendung mit erheblichen gesundheitlichen Risiken wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Störungen oder mit allergischen Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock verbunden.
Constantin Hering (1800 – 1880), der Pionier der Schlangengift-Forschung, sah in der Homöopathie, die zu seiner Zeit immer größere Kreise zog, neue Möglichkeiten der Arzneibereitung: „…so wird man wünschen, die Menge des Giftes so verkleinern zu können, dass die Wirkung minder stürmisch werde und leichter wahrgenommen und beurteilt werden könne“. Er vermutete, dass Schlangengifte außerordentliche Heilkräfte in sich bergen, und reiste von fieberhaftem Forscherdrang getrieben ins schlangengesegnete Surinam (1827 – 1833). Von dort berichtete er freudig: „Endlich hatte ich denn das Vergnügen den 28. Juli 1828 des Mittags eine, durch den kühnen Jäger zwar halb erschlagene, aber doch noch brauchbare, große, wirklich grässliche Giftschlange zu erhalten. Es war Trigonocephalus Lachesis … Ich machte sogleich anhalt ihr das Gift abzunehmen … Ich hielt nun ein Papier mit einem hohlen Häufchen Milchzucker zum Empfange bereit, und fing so endlich das Tröpfchen auf. Zehn solche Tröpfchen habe ich auf hundert Gran Milchzucker gebracht und damit sogleich verrieben eine Stunde lang. Davon aber zehn Gran wieder mit hundert, um die Verdünnung von etwa Hundertteilen zu erhalten, … mit dem 1/100 habe ich einige Versuche gemacht“.
Seinen ersten Selbstversuch machte Hering jedoch unfreiwillig: Beim Verreiben der Gifttropfen in Milchzucker atmete er nämlich den giftgetränkten Staub ein. Schon kurze Zeit später litt er bereits unter Halsschmerzen, denen schließlich die vielzitierten psychischen Leitsymptome wie Eifersucht, Argwohn und Redseligkeit folgten. Er unternahm viele weitere Arzneiprüfungen, zum Teil mit gerade noch toxischen Dosen, an sich selbst wie auch an 17 Mitprüfern und fasste die Ergebnisse schließlich zusammen. Seine Abhandlung über die „Wirkungen des Schlangengiftes“ (1837), in der er auch einen Vergleich zwischen den Folgeerscheinungen von Bissverletzungen und Prüfsymptomen anstellte, bildet noch heute eine der Hauptquellen für die Anwendung von Schlangengiften in der Homöopathie.
Klapperschlange, Foto Martin Schulz
Wissenswertes über Schlangengifte
Schlangengifte sind komplexe Protein-Enzym-Gemische. Da sich die Giftdrüse im Laufe der Evolution aus der Speicheldrüse entwickelt hat, dient das Sekret keineswegs nur als Kampfgift, es erleichtert auch die Verdauung der im Ganzen verschlungenen Beute. In der Trockenmasse finden sich über 90 Prozent Proteine, die man ihrer Wirkung und ihrem Zielorgan entsprechend bezeichnet:
- Neurotoxine: bewirken Lähmung – verhindern, dass das Beutetier entkommt
- Cardiotoxine: verursachen Herzstillstand – bewirken den Tod des Beutetieres
- Hämotoxine: führen zu Hämolyse und Hämorrhagien – dienen u.a. der Vorverdauung
- Die Enzyme steigern die Resorption wie auch die Wirkung der Proteine und fördern nicht zuletzt die Verdauung des Beutetieres.
Das frische oder getrocknete Speicheldrüsensekret mancher Giftschlangen wird vielfältig genutzt:
- Zur Gewinnung von Antiseren: Etwa 1/100 der Letaldosis eines Schlangengiftes wird Pferden injiziert; die Dosis wird im Verlauf der Immunisierung schrittweise erhöht. Das Pferd bildet daraufhin Antikörper, die aus dem Blutserum extrahiert werden und als spezifische Gegengifte dienen.
- Als Ausgangssubstanz für Blutgerinnungstests: Drei von 15 einfachen Blutgerinnungstests beruhen heute noch direkt auf Substanzen, die aus Schlangengiften gewonnen werden.
- Zur Herstellung homöopathischer Schlangenarzneien: Ausgangssubstanz für Homöopathika ist das frische oder (gefrier-)getrocknete Speicheldrüsensekret mit Proteinen und Enzymen.
- Zur Herstellung von Reintoxinen: Der Verdünnungsgrad der Reintoxine (enteiweißte Rohgifte; Spezialität der Heilmittelfirma Horvienzymed Holland) entspricht einer homöopathischen D6 und der Resteiweißgehalt beträgt 0,8 bis 2,0 Prozent. Die Wirkung der Reintoxine beruht auf Schlangenenzymen, die das Blut dünnflüssiger machen, dessen Fließeigenschaft verbessern und den Blutsäuregehalt regulieren.
Schlangenbeschwörer mit Kobra; Foto Christian Rätsch
Schlangengifte in der Homöopathie
Aus dem homöopathischen Arzneischatz sind Schlangengifte heute nicht mehr wegzudenken. Die Verdünnung vermochte in der Tat den Giftgeist der Schlange zu zügeln und durch die Verschüttelung erreichte man eine Verstärkung der heilsamen Eigenschaften. Eben weil Schlangengifte Blut, Herz und Nerven schädigen, erwiesen sie sich in homöopathischer Form bald als Blut-, Herz- und Nervenheilmittel. Obwohl alle dem gleichen Zweck dienen, nämlich dem Lähmen, Töten und Verdauen des Beutetieres, weist jedes Schlangengift eine für die Unterart spezifische Zusammensetzung und Wirkung auf (siehe „Schlangengifte im Vergleich“). Dennoch finden sich Gemeinsamkeiten wie zum Beispiel Blutgerinnungsstörungen, Schling- oder Schluckbeschwerden oder Beengungsgefühle. Die homöopathischen Arzneimittelbilder sind allerdings so umfangreich, dass sie hier nicht erschöpfend behandelt werden könnten.
So wie die Giftschlangen einst begehrte Bestandteile lebensverlängernder Elixiere waren, so runden sie heute beispielsweise immunmodulierende Rezepturen ab oder unterstützen die Häutung der Seele in den Wechseljahren. Die Heilung durch homöopathische Schlangengifte erfolgt jedoch gleichermaßen auf körperlicher wie auch auf geistigseelischer Ebene. Die Schlange wird vom modernen Menschen mit derselben Ehrfurcht und Faszination betrachtet wie es noch vor Jahrtausenden der Fall war. Viele meiner Patienten erkannten in dem urzeitlichen Reptil ihr Krafttier, dessen Gift ihnen sozusagen Wehrhaftigkeit vermittelt.
Schlangengifte sind damit nicht nur ernstzunehmende Arzneien, sondern auch eine wertvolle Quelle, aus der sich neue Lebenskraft schöpfen lässt – und, wie wir von Kent erfahren, sind Schlangengifte geradezu eine Universalmedizin für den Menschen: „Lachesis scheint für das ganze Menschengeschlecht zu passen, denn das Wesen des Menschen entspricht dispositionsgemäß und charakterlich der Schlangennatur.“
Kreuzotter im Altmühltal
Schlangengifte im Vergleich
Bothrops lanceolatus (Lanzenotter; Crotalinae; trop. Asien u. Amerika): Das Gift der Lanzenotter wirkt insbesondere auf Blut und Gefäße. Ein Biss führt zu Schmerzen, Ödem und Blutung; Eiterung, Nekrosen und Gangräne sind weitere Folgen. Das Bothrops-Gift zeichnet sich durch den Gehalt koagulierender Enzyme aus; daher die Neigung zu Thrombosen und Embolien mit nachfolgender Lähmung. Die homöopath. Indikationen, z.B. Sprachstörungen oder Lähmungen nach Schlaganfall, sowie Gangräne leiten sich aus der Giftwirkung ab. Gebräuchlich sind mittlere Potenzen.
Crotalus horridus (Klapperschlange; Crotalinae; Nordamerika): Humboldt verwendete das Crotalus-Gift noch zur Gelbfieberprophylaxe; es ruft gelbfieberähnliche Symptome hervor. Das Crotalus-Gift führt v.a. zu Blutgerinnungsstörungen. Homöop. Ind. wie z.B. Hämorrhagien („Blutungen aus allen Körperöffnungen“) leiten sich aus der Giftwirkung ab. Gebräuchlich sind mittlere Potenzen.
Elaps corallinus (Korallenotter; Viperidae; Südamerika): Im Elaps-Gift überwiegen Hämotoxine; Es wirkt bevorzugt auf die Lungen, wo es Kältegefühl und blutigen Auswurf verursacht. Zu den homöop. Ind. zählen Mischinfektionen mit oder ohne Lungenbeteiligung. Gebräuchlich sind mittlere Potenzen.
Lachesis muta (Buschmeister; Viperidae; Mittel- und Südamerika): Im Lachesis-Gift dominieren Hämotoxine und Neurotoxine sowie stark wirksame Enzyme, die proteolytische, koagulierende und zellauflösende Eigenschaften besitzen. Die Giftwirkung konzentriert sich auf Blut und Nerven. Lachesis wird in der Homöopathie vielfältig gebraucht, z.B. bei: a) Allergien, bakteriellen oder viralen Infekten sowie bei septischen Fiebern. b) Blutgerinnungsstörungen c) Venenleiden d) Manischen Erregungszuständen. Lachesis ist in allen Potenzen gebräuchlich.
Naja tripudians (Kobra; Elapidae; Indien und China): Das Gift der Brillenschlange konzentriert seine Wirkung besonders auf den Herzmuskel, den es erst erregt und später lähmt. Dies ist auf ein curareähnlich wirkendes Cardiotoxin zurückzuführen, das noch in Verdünnungen von 1:400 zu Herzstillstand führen kann. Außerdem fand man im Kobragift blutdrucksenkende Substanzen. Zu den homöop. Ind. zählen daher Herzleiden wie z.B. postinfektiöse Klappenfehler, Rhythmusstörungen, Blutdruckschwankungen oder Angina pectoris. Gebräuchlich sind vor allem mittlere Potenzen.
Vipera berus (Kreuzotter; Viperidae; Europa): Im Gift der Kreuzotter dominieren Hämotoxine, Neurotoxine und proteolytische Enzyme. Die Giftwirkung konzentriert sich auf die Gefäße. Durch den Biß kommt es zu Ödemen, Blutgerinnungsstörungen, Schädigung der Gefäßwände (v.a. Venen). Viel beschrieben sind heftige Schmerzen am gebissenen Glied, die noch nach Jahren periodisch wiederkehren und bspw. durch Wetterwechsel ausgelöst werden. Auch Kachexie und Neigung zu Apoplex zählen zu den Bißfolgen. Zu den homöopath. Ind. gehören Venenleiden wie Krampfadern, Unterschenkelgeschwüre, Neigung zu Venenentzündung und Thrombose. Das Mittel findet jedoch auch nach Schlaganfall Anwendung. Gebräuchlich sind mittlere Potenzen.
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